Wenn es um nachhaltigen Städtebau geht, taucht häufig das Schlagwort „Schwammstadt“ auf. In manchen Teilen der Welt werden „sponge cities“, wie es auf Englisch heißt, ambitioniert vorangetrieben: 80 Prozent der Städte in China sollen bereits 70 Prozent des Regenwassers aufnehmen oder wiederverwenden.
Wie das auch hier gelingen kann, erklärt der Wirtschaftsingenieur Benjamin Kraff im Interview. Der Mainzer promoviert an der Technischen Universität Darmstadt zu den Themen innovative Transformation und nachhaltige Stadtentwicklung. Er beschäftigt sich mit dem Umbau von Städten für mehr Umweltfreundlichkeit und engagiert sich bei der Initiative „Scientists for Future“ (S4F).
Was ist eine Schwammstadt?
„Das Konzept der Schwammstadt sieht vor, dass Regenwasser in der Stadt zurückgehalten wird“, sagt der Wissenschaftler. Wie bei einem Schwamm fließe das Wasser nicht von der Oberfläche ab, sondern versickere zu großen Teilen. „Ziel ist es, einen Abfluss in die Kanalisation zu vermeiden. Denn bei zu viel Niederschlag in kurzer Zeit ist diese schnell überfordert.“ Vollgelaufene Keller und überflutete Straßen sind die Folge.
Auch Überschwemmungen durch Hochwasser werden wahrscheinlicher, wenn das Wasser nur abgeleitet wird. Die gesamte Kanalisation mündet in der Regel in den Rhein. Die beiden meist versiegelten Städte Deutschlands sind übrigens Ludwigshafen und Mannheim, die beide rheinaufwärts von Mainz liegen. Aber die Speicherung von Regenwasser kommt nicht nur dem Hochwasserschutz zu gute.
Bis zu zehn Grad kühlere Städte
Vor allem, dass gesammeltes Wasser wieder verdunstet, habe positive Effekte. Diese Aufgabe übernehmen hauptsächlich Pflanzen und Bäume in der Stadt. Trotz hohen Niederschlägen in Form von Starkregen leiden viele Stadtbäume in Mainz unter Wassermangel. „Wenn im Sommer Laub fällt oder braune Stellen an den Blättern zu sehen sind, dann haben die Bäume zu wenig Wasser“, stellt Kraff fest. Ihm wäre es wichtig, dass mehr auf ausreichend Versickerungsfläche im direkten Umfeld der Bäume geachtet wird.
Wärmeinseln, die in der Stadt öfter vorkommen, lassen die Umgebungstemperatur um bis zu zehn Grad zusätzlich ansteigen. Bäume kühlen die Umgebung, indem sie viel Wasser verdunsten lassen. Die Kühlleistung eines großen Baums entspricht der von zehn Klimaanlagen, die den ganzen Tag lang laufen würden, heißt es in einer Studie. Auch bewachsene Fassaden können Wasser aufnehmen und wieder abgeben und so im Sommer einen kühlenden Effekt haben. Wie Merkurist berichtete, hat ein Mainzer Start-Up konkrete Pläne Mainzer Fassaden langfristig zu begrünen. Zurzeit sind sie auf der Suche nach Partnern und Orten, um ihre Idee umzusetzen.
Pflicht zur Begrünung
Die Stadtverwaltung Mainz schreibt in ihrer Begrünungs-Satzung (BGS) vor, dass alle Flachdächer ab 15 Quadratmeter Größe begrünt sein müssen. „Aber das Problem ist, dass nur Neubauten eingeschlossen sind. Für bestehende Dächer gilt die Satzung nicht“, kritisiert Kraff. Alte Gebäude sind nicht nur ein Großteil der Häuser in der Stadt, sondern sollten auch im Sinne der Umwelt nicht immer abgerissen oder nachverdichtet werden. „Nachhaltigkeit bedeutet eben nicht, alles zuzubauen, sondern mit dem Bestand zu arbeiten“, sagt der „Scientists for Future“-Anhänger. Vor allem brauche es Entsiegelung oder weniger Versiegelung, um dem Konzept einer Schwammstadt gerecht zu werden.
Die Stadt muss dabei nicht nur auf Gesetze und Vorschriften zurückgreifen. „Die Verwaltung sollte mit gutem Beispiel vorangehen und für mehr Grün sorgen“ meint Kraff. Statt formeller Vorschrift könne auch Informelles, also Informationen, hilfreich sein: „Wie begrüne ich mein Dach oder wie wird mein Garten hitzeresistenter zum Beispiel.“ Eine gute blau-grüne Infrastruktur, also Wasser und Grün in der Stadt, fördere Biodiversität, verhindere Überschwemmungen und sorge für kühlere Luft, sagt Benjamin Kraff.