Mainzer Wohnbau: Wieso Balkonkraftwerke für Mieter verboten sind

Balkonkraftwerke sind ein einfacher Weg, um Strom zu sparen. Viele Vermieter, wie die Wohnbau Mainz, verbieten ihren Mietern jedoch, die Geräte zu installieren. Welche Gründe es dafür geben könnte, erklärt ein Experte.

Mainzer Wohnbau: Wieso Balkonkraftwerke für Mieter verboten sind

Über eine Million Balkonkraftwerke sind mittlerweile in Deutschland registriert. Wie die Daten aus dem Marktstammdatenregister zeigen, geht der Trend steil nach oben. Auch Mieter sollen dank einer Gesetzesänderung vom Solarboom auf dem Balkon profitieren.

Trotz des 2024 in Kraft getretenen Gesetzes, das Mietern ein Recht auf Balkonkraftwerke zuspricht, verbieten viele Vermieter die Steckersolargeräte – so auch die Wohnbau Mainz GmbH. Merkurist-Leser Tommy J. fragt nach den Gründen des städtischen Unternehmens: „Ist der Mieterstrom der wahre Grund für das Balkonkraftwerk-Verbot für Wohnbau-Mieter?“

Wirtschaftliche Gründe für Verbot?

Bei Mieterstrom-Verträgen wird der Strom aus Solaranlagen, die die Wohnbau Mainz auf dem Dach ihrer Häuser installiert hat, an die Mieter verkauft. Tatsächlich sieht der Experte Robert Petek darin einen Grund für die Ablehnung von Balkonkraftwerken: „Die Wohnbau Mainz hat ein ganz klares wirtschaftliches Interesse. Die Mieter sollen möglichst viel Strom aus den hauseigenen Solaranlagen abnehmen“.

Petek ist Energieberater bei der Witura GmbH. Das Mainzer Unternehmen ist spezialisiert auf erneuerbare Energien für Gebäude und baut unter anderem selbst Photovoltaik-Anlagen. Im Merkurist-Gespräch erklärt Petek weiter: „Die Photovoltaik-Anlagen auf den Gebäuden der Wohnbau sollen primär den Hausverbrauch abdecken.“ Ins Netz eingespeister Strom könne nur für einen geringen Preis von ungefähr 7 bis 8 Cent pro Kilowattstunde verkauft werden, während Mieter je nach Vertrag den üblichen Strompreis von schätzungsweise 25 bis 30 Cent pro Kilowattstunde zahlen würden.

Keine Stellungnahme der Wohnbau

„Aus meiner Sicht geht es der Wohnbau Mainz hier eindeutig um Wirtschaftlichkeit“, sagt der Experte. Denn bei der Investition in die eigenen Solar-Anlagen rechne das Unternehmen mit einer gewissen Stromabnahme pro Wohnung. „Wenn die Verbräuche deutlich niedriger ausfallen, zum Beispiel wegen privater Balkonkraftwerke, geht die ursprüngliche Geschäftsidee nicht mehr auf“, so Petek.

Die Wohnbau Mainz äußerte sich trotz mehrfacher Anfragen von Merkurist nicht dazu. Über die genauen Regelungen zum Mieterstrom und die Gründe für die ablehnende Haltung des Unternehmens lässt sich deswegen nur spekulieren. Dass in den 11.000 Wohnungen der Wohnbau anscheinend keine Balkonkraftwerke erlaubt werden, steht im Widerspruch zur Nachhaltigkeitsstrategie anderer städtischer Unternehmen. So haben beispielsweise die Mainzer Stadtwerke in der Vergangenheit mit groß angelegter Förderung für Balkonkraftwerke geworben (wir berichteten).

Niedrige Hürden für Balkonkraftwerke

Dabei sind die Hürden für die Installation und den Betrieb von Steckersolargeräten eigentlich niedrig. „Es ist wie eine Einstiegsdroge“, sagt Energieexperte Robert Petek. Käufer von Solarmodulen für den Balkon müssten nur wenige Vorschriften beachten, wie die Leistungsgrenze von insgesamt 800 Watt. Für den Anschluss brauche es lediglich eine normale Steckdose. Auch die Montage kann privat mit zugelassenen Konstruktionen erfolgen – solange man bereit sei, dafür im Ernstfall zu haften.

Auch für die Hauselektrik brauche es in der Regel keinen Fachmann: „Durch die Anmeldung beim Netzbetreiber ist die geringe Belastung für den Stromkreislauf bekannt. Möglicherweise müssen alte Stromzähler auf digitale Zähler umgerüstet werden, damit sie sich nicht rückwärts drehen“, sagt Petek. Dass die Solarmodule Probleme bereiten würden, weil es sich zum Beispiel um Billigware ohne europäische CE-Zertifizierung handele, sei äußerst selten.

Zustimmung des Vermieters notwendig

„Wie bei jeder Veränderung am Haus, braucht es trotzdem die Zustimmung vom Vermieter“, mahnt Petek. Zwar stärkt die Änderung des Bürgergesetzesbuches (Paragraf 554), die im Oktober 2024 in Kraft getreten ist, die Rechte der Mieter: Balkonkraftwerke zählen seitdem explizit zu den privilegierten Maßnahmen und dürfen grundsätzlich nicht verboten werden. Dennoch kann der Vermieter aus triftigen Gründe seine Zustimmung verweigern.

Mieter könnten laut Robert Petek schätzungsweise 100 Euro im Jahr an Stromkosten durch ein Balkonkraftwerk sparen. Bei guter Ausrichtung erzeuge ein Gerät circa 500 Kilowattstunden im Jahr, rechnet der Experte vor. „Vom produzierten Strom nutzen Privatpersonen meistens nur grob die Hälfte“, sagt Petek. Denn ohne einen Batteriespeicher müsse dieser direkt verbraucht werden, was gerade an heißen Sommertagen nicht immer möglich ist. Für die Einspeisung des überschüssigen Stroms in das Netz erhalten Balkonkraftwerk-Besitzer kein Geld.

Transparenzhinweis

Inhaber der Witura GmbH, bei der Robert Petek arbeitet, ist Matthias Willenbacher, der gleichzeitig auch Inhaber von Merkurist ist.