Wer den Berg von der Altstadt hoch zur Kupferbergterrasse ersteigt, dem bietet sich ein herrlicher Blick auf Mainz. Die letzten Meter führt eine zweiteilige, 36 Meter lange Treppenanlage auf die Terrasse hoch. Doch seit einigen Jahren schon kann nur eine der beiden Seiten genutzt werden. Denn die rechte Seite ist gesperrt – und das bereits seit Mai 2019.
„Mir ist ein Rätsel, warum die Treppe nicht nutzbar ist und wieso die Stadt Mainz hier nicht für mehr Sicherheit sorgt“, schreibt Leser Tobias an der Merkurist-Redaktion. Auch befürchtet er, dass ein Loch im Sandstein an der Brüstung gefährlich für Kleinkinder sein könnte.
Mauer bröckelt und neigt sich talwärts
Grund für die Sperrung ist die Gefahr vor Steinschlag. Denn das zwölf Meter hohe Mauerwerk oberhalb der Treppe ist marode und bröckelt teilweise. Der Bürgersteig an der Terrassenstraße wurde daher sogar schon drei Jahre zuvor abgesperrt. Seitdem kann beides nicht mehr benutzt werden, ebenso wie der Parkplatz davor. Aber warum dauert das so lange, bis die Mauer saniert werden kann? Grund sind wohl die Besitzverhältnisse und die umfangreichen, komplizierten Schäden. Die Stützmauer ist zwar Eigentum der Stadt Mainz, die Kelleranlagen gehören hingegen privaten Eigentümern. „Die gesamte Anlage ist baulich recht unübersichtlich“, heißt es von Seiten der Stadt. Auch der seit langem defekte Aufzug ist in Privatbesitz. Die Treppen rahmen das große Eingangstor zu den Kelleranlagen ein, die früher als Lagerkeller der Mainzer Aktienbrauerei und der Kupferberg’schen Sektkellerei gedient haben.
Die Kupferbergterrasse besteht aus den Gewölbekellern, dem Stützbauwerk und den umliegenden Verkehrsflächen. „In dieser Gesamtheit müssen sie bearbeitet werden“, heißt es in einem Gutachten aus dem Jahr 2020. Da wurde das Bauwerk zum ersten Mal nach 1975 genauer untersucht. Jedoch könnten nicht alle Schäden eingesehen werden, da die Keller zum Teil nur eingeschränkt begehbar seien und zudem „mit Unrat belegt“, so die Architekten des Büros Kayser+Böttges, Barthel+Maus, die das Gutachten angefertigt haben.
Abgebröckelter, roter Sand lagert sich vor der Mauer ab
Aus dem Gutachten geht hervor, dass an der Sandsteinschale starke Verwitterungsschäden aufgetreten seien. Die Mauerverblendung besteht wie die Treppenstufen, die Treppenbaluster mit Handlauf und die Brüstungsabdeckungen aus Rotsandstein, im Kern ist das Mauerwerk aus Kalksteinen gefertigt. Vereinzelt würden auf der Mauer Flechten und Moose wachsen, was darauf hinweise, dass die Steine feucht seien. Außerdem würden Wurzeln von Pflanzen, die direkt aus der Mauer wachsen, den Steinen schaden. Durch die Witterung seien die Steine um mehrere Zentimeter „abgesandet“ worden, die Bindemittel und der Quarz wurden also vom Niederschlag aus der Steinoberfläche herausgelöst. Abgelagert hat sich das Material dann vor der Mauer, dort liegt es als „roter Sand“ entlang der gesamtem Stützmauer. Auch hat sich eine hohe Salzkonzentration in den Steinen abgelagert.
Gleiches ist bei den Treppenstufen zu beobachten. Auch die Elemente, die im Jahr 1975 ausgetauscht worden waren, seien wieder stark angegriffen. Die massiven Sandsteinplatten auf dem Mauerabschluss seien ebenfalls verwittert. Vor allem der Frost habe ihnen zugesetzt. Oberhalb des Portals fehle zudem eine 20 mal 30 Zentimeter große Plattenecke.
Sanierung beginnt 2024
Da außerdem die Fugentiefe nachgelassen habe, lockere sich der Zusammenhalt der Steine. Mehr Wasser könne in das Fugennetz eindringen, wodurch sich der Mörtel weiter auswasche. Dadurch würden sich die Sandsteinquader allmählich aus dem Mauerwerk lösen. „Einzelsteine lassen sich händisch aus dem Mauerwerksverbund herausnehmen“, schreiben die Architekten im Gutachten. Unterhalb des Treppenaufgangs hätten sich zudem mehrere Risse gebildet. Die gesamte Stützmauer sei „tiefgreifend geschädigt“. Am rechten Treppenaufgang neige sich die Stützmauer sogar bereits talseits in Richtung Schillerplatz, teilweise um 14 Zentimeter. Das Portal kippt auf einer Höhe von etwa fünf Metern um circa 13 Zentimeter nach außen. An anderen Stellen beulen sich die Seitenwände nach innen aus, da der Druck zu hoch wird. Die Lampen an der Treppen wurden bereits abgebaut, da auch sie sich geneigt hatten und umzustürzen drohten.
Eine Gefahr, dass zum Beispiel Kinder wegen der maroden Steine abstürzen könnten, bestehe jedoch nicht, heißt es bei der Stadt. Wie ein Pressesprecher auf Merkurist-Anfrage mitteilt, soll mit der Sanierung und Instandsetzung im nächsten Jahr begonnen werden. Vorgesehen sind die Arbeiten bis 2027. „Bis dahin planen wir für dieses Jahr einen ‘Musterbauabschnitt’, um daraus Erkenntnisse für die Sanierungsmaßnahmen zu gewinnen“, so der Pressesprecher.
Kosten nicht abschätzbar
Das Architekturbüro empfiehlt in seinem Gutachten, die Oberfläche der Terrasse abzudichten und das angesammelte Oberflächenwasser abzuleiten. So soll verhindert werden, dass das Bauwerk wieder feucht wird. Eine Versiegelung sei jedoch mit dem „derzeitigen Baumbestand nicht vereinbar“, daher müsse man die „weitere Planung mit einem Natursachverständigen diskutieren“. Außerdem müsse man die Steine „entsalzen“, damit sie nach der Instandsetzung nicht erneut geschädigt werden.
Umfangreiche Arbeiten seien notwendig, um die Sandsteine wieder instandzusetzen. Sie müssten gereinigt, konserviert, gesichert und teilweise ergänzt, ausgetauscht und neu aufgemauert werden. Risse müssen verfüllt, Steine neu verfugt und Tanks rückgebaut werden. Eine bessere Durchlüftung sei ebenso notwendig wie Kernbohrungen, um die Stützmauer vor allem an der Oktogonhalle zu erkunden.
Wie viel die Maßnahmen letztendlich kosten werden, könne noch nicht abgeschätzt werden. „Trotz des umfangreichen Aufmaßes ist der Bestand noch nicht ausreichend untersucht“, heißt es im Gutachten. Erst müssten die verschlossenen oder verfüllten Keller untersucht werden. Auch Bohrungen könnten weitere Erkenntnisse bringen. Wenn dann auch klar sei, wie viele Sandsteinquader auf welche Art instandgesetzt werden müssen, könne man eine belastbare Kostenschätzung abgeben.