Im Jahr 2018 sorgte die tiefblaue Farbe des „Tinte Gin“ des Mainzer Unternehmens „edelranz“ für Aufmerksamkeit. Nach einer fünfmonatigen Pause ist der Gin seit August 2023 wieder auf dem Markt – und plötzlich rot statt blau. Merkurist hat sich bei Gin-Hersteller Florian Polakovski erkundigt.
„2023 kam ein Hinweis der Behörde, dass eine der Pflanzen aus dem Cuvée, das wir zur Erzeugung der blauen Farbe verwenden, unter die europäische Novel-Food-Verordnung fällt“, erzählt uns der Gin-Erfinder. Die Verordnung regelt, dass alle nach 1997 aufgekommenen Lebensmittel in einem langen und kostspieligen Verfahren zugelassen werden müssen. Darunter fielen zum Beispiel Produkte wie Stevia oder Chiasamen – und auch die von „edelranz“ verwendete Heilpflanze. „Obwohl unser Labor die Unbedenklichkeit des ‘Tinte Gin’ bestätigte, mussten wir unsere Produktion und den Vertrieb stoppen.“ Bis die Pflanze zugelassen wird, wird es wohl noch etwas dauern.
Entwicklung der neuen Rezeptur dauerte fünf Monate
Also musste eine Alternativlösung her. Fünf Monate suchte Polakovski nach einem farblichen und geschmacklichen Ersatz. „Das synthetische und chemische Zufügen von blauer Farbe kam für uns nicht infrage.“ Letztlich blieb Polakovski zufolge nur die Möglichkeit, eine rubinrote Farbe natürlich herzustellen.
Der neue Gin ist geschmacklich und geruchlich mit dem blauen „Tinte Gin“ identisch. „Bei einem Blind-Tasting mit Wein- und Edelbrandsommeliers konnte keiner der Tester eine Veränderung herausschmecken“, berichtet Polakovski.
Der neue Gin wird nun „Korrektur-Tinte“ genannt. „Auch rote Tinte wird vom Lehrer zum Korrigieren verwendet.“ Besonders gefreut hätte die Gründer das positive Feedback der Kundschaft: „Den meisten ging es ohnehin um den Geschmack: Blaue und günstigere Konkurrenzprodukte waren auch schon vor dem Farbwechsel auf dem Markt.“
„edelranz“ startete vor fünf Jahren
Die Gründer von „edelranz“, Florian Polakovski (39), Alex Petruschin (38) und Kadi Kamara (39), starteten im Oktober 2018 mit ihrem ersten Gin. Polakovski war davor über 10 Jahre als Barchef und Barmann in der Branche unterwegs und arbeitete an eigenen Kreationen, die er auch bei Cocktailmeisterschaften präsentierte. Als eine Eigenkreation auf einer Geburtstagsfeier Begeisterung hervorrief, kam die Idee auf, eigenen Gin zu vertreiben. Nach drei Jahren Entwicklung und Verfeinerung der Spirituose war der blaue Gin fertig. „Mir wurde der Spitzname Jean-Baptiste gegeben, da ich mit so vielen Extrakten und Essenzen in über 50 Pipettenfläschen hantierte“, erzählt Polakovski und spielt damit auf den Protagonisten des bekannten Romans „Das Parfum“ an, Jean-Baptiste Grenouille.
Zehn unterschiedliche Zutaten in einem Gin
Der Name „Tinte Gin“ stand wegen der blauen Farbe schnell fest, der Name des Unternehmens „edelranz“ hingegen soll die Gegensätze verdeutlichen, die die Marke vereint. „Unser Produkt enthält mindestens einen Botanical aus jedem Kontinent, die im Einzelnen schwer in Einklang zu bringen sind, sich aber im Gin ergänzen. (…) Gegensätze zusammenbringen ist unsere Philosophie“, so Polakovski. Er möchte nicht, dass sich der Gin wegen der Farbe durchsetzt: „Unser Gin ist dafür gedacht, dass man ihn gemeinsam genießt, sich darüber austauscht und sich mit dem Geschmack auseinandersetzt.“
Neuer nachhaltiger Likör
Außer Gin haben die Gründer seit diesem Jahr auch einen Cascara-Likör im Sortiment. Er wird aus dem Fruchtfleisch der Kaffeekirsche hergestellt. „Die Kaffeekirsche hat einen fruchtigen Geschmack, der hier bislang unbekannt ist.“ Die Verwendung der Kaffeekirsche sei zudem auch umweltfreundlich: „Wir verwenden ein Abfallprodukt der Kaffeeindustrie“, so Polakovski. Ihm zufolge legt das Unternehmen großen Wert auf Nachhaltigkeit.