Wie darf ich mich an Fastnacht noch verkleiden?

Als was darf ich mich noch verkleiden, um politisch korrekt zu sein? Diese Frage stellen sich mittlerweile immer mehr Fastnachter, wenn sie nach einem Kostüm suchen. Auch in der Bütt macht man sich Gedanken, welche Parodien vertretbar sind.

Wie darf ich mich an Fastnacht noch verkleiden?

Ob in der Sitzung oder auf der Straße – wer in Mainz Fastnacht feiert, der tut dies häufig auch verkleidet. Doch bei der Auswahl des Kostüms kann man heutzutage durchaus auch ins Fettnäpfchen treten. Denn was früher als unkritisch galt, ist aktuell mitunter äußerst umstritten. Schnell sieht man sich inzwischen dem Vorwurf der „kulturellen Aneignung“ ausgesetzt, wenn man sich beispielsweise als „Indianer“ verkleidet.

So wurde erst im Sommer des letzten Jahres eine erbitterte Rassismus-Debatte im Zusammenhang mit dem Kinderfilm „Winnetou“ geführt. Was also gilt nun für Fastnachtskostüme und wie weit kann man 2023 in der Bütt noch gehen? Merkurist hat mit Fastnachtern und einem Rassismus-Experten gesprochen.

„Sensibilität im Umgang mit dem Thema“

Dass man bei der Auswahl seiner Kostüme grundsätzlich auf den „gesunden Menschenverstand vertrauen“ sollte, glaubt auch Moritz Glenk von der Stiftung gegen Rassismus. Auf die Idee, sich beispielsweise als Adolf Hitler zu verkleiden, wie noch 1977 an Fastnacht in der Mainzer Altstadt zu sehen war, würde sicherlich niemand mehr kommen.

Bei anderen Verkleidungen scheinen sich manche Leute mit der Entscheidung jedoch schwer zu tun. Wie Glenk sagt, solle man sich beispielsweise Gedanken zur Kostümwahl machen, „wenn damit real existierende Gruppen nachgeahmt werden sollen“. So seien Kostüme von „Indianer*innen“ bei vielen betroffenen Gruppen in ihrer Verzerrung der historischen Wirklichkeit verpönt, erklärt Glenk. Zudem könne man sich selbst fragen, wie diese Gruppen eine derartige Darstellung wohl wahrnehmen würden.

Lange Zeit Gedanken über seine „Winnetou“-Parodie hat sich auch der Präsident des Mainzer Carneval Clubs (MCC), Dr. Florian Sitte, gemacht. In dieser Kampagne tritt Sitte, der vor allem auch für seine Merkel-Parodie in der Fernseh-Fastnacht bekannt ist, im klassischen Indianer-Outfit auf. Zusammen mit MCC-Vizepräsident Jürgen Wiesmann, der den Old Shatterhand spielt, hatten beide jüngst einen vielumjubelten Auftritt im Mainzer Schloss.

Wie Sitte gegenüber Merkurist sagt, habe er die „Winnetou“-Debatte im letzten Jahr genau verfolgt. Für ihn sei das bei seinen Überlegungen schon relevant gewesen. Mittlerweile sei es schwierig, solche Rollen in die Bütt zu bringen. „Man traut sich oft gar nicht mehr so richtig und hat manchmal das Gefühl, jeden Satz noch einmal überdenken zu müssen.“ Eine gewisse Sensibilität im Umgang mit dem Thema sei sicherlich wichtig. In seinem Vortrag sollen jedoch auf keinen Fall indigene Menschen verletzt werden. Die Parodie sei vielmehr als Auszeichnung beziehungsweise Hommage an Winnetou zu verstehen.

In seiner Rolle spreche er dann auch mit französischem Akzent, um an den Winnetou-Darsteller Pierre Brice zu erinnern und dem Ganzen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Unter anderem bringe er auch dann den Satz: „Weißt du, was es für einen echten Apachen für eine Qual ist, im Körper eines Franzosen geboren zu sein.“ Das Lachen im Publikum zeige dann auch eine gewisse Entkrampfung im Umgang mit dem Thema. Schaden wolle man, wie Sitte noch einmal betont, mit der Parodie niemandem – getreu dem Motto des MCC: „Allen Wohl und niemand weh, Fassenacht beim MCC“.

Problemfall „Blackfacing“

Heutzutage in der Bütt nicht mehr möglich, ist wohl beispielsweise der Vortrag von Helmut Schlösser. So präsentierte der Fastnachter unter anderem 2009 mit schwarz geschminktem Gesicht den damaligen US-Präsident Barack Obama.

Wie Moritz Glenk von der Stiftung gegen Rassismus sagt, würde seit Jahren von Betroffenengruppen darauf aufmerksam gemacht, dass „Blackfacing“ oder auch andere Farbtöne in der Anmalung von Gesichtern, um etwa Personen chinesischer Herkunft darzustellen, in ihrer stereotypisierenden Darstellung für viele Personen sehr verletzend ist. „Sie werden schließlich auch nirgendwo einen Menschen mit gelber Hautfarbe finden.“ Keine gelbe Schminke bei seinem kostümierten Auftritt bei „Mainz bleibt Mainz“ im Jahr 2017 hat hingegen der ehemalige Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling verwendet.

Rückblickend auf seine Verkleidung von damals angesprochen sagt der jetzige Innenminister gegenüber Merkurist: „Also ich finde schon, dass eine Kultursensibilität ein Fortschritt in unserer Gesellschaft ist. Ich sehe aber auch immer, gerade in der Fastnacht, die Persiflage im Mittelpunkt.“ Das Verkleiden sei eben nicht immer nur das Nachahmen, es sei auch das bewusste Ironisieren. Es werde unter dem Motto diskutiert: „Man darf nicht mehr bestimmte Dinge tun oder es wird einem irgendetwas verboten. Ich jedenfalls will nichts verbieten und nicht vorschreiben, wie Leute sich anzuziehen haben, auch nicht an Fastnacht.“ Aber es sei gut, dass man auf bestimmte Dinge eben sensibler schaue.

Und so sieht es letztlich auch Moritz Glenk von der Stiftung gegen Rassismus: „Einordnen lässt sich, dass es keine Verbote gibt.“ Zudem empfiehlt er für Interessierte eine Broschüre, „die vieles etwas umfassender einordnet“ mit Bezug zu Kindern und die zudem auch für Erwachsene bedenkenswert sei.

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