Die Corona-Krise und die weiterhin steigende Inflation haben dem Mainzer Einzelhandel in den letzten Jahren stark zugesetzt. Die Stadt ist nun bemüht die Geschäftsleute – vor allem auch in der Innenstadt – so gut es geht zu unterstützen. Beispielsweise wurde dazu im letzten Jahr die Kampagne „Mainz – mit euch lebt’s“ vorgestellt. Dafür wurden unter anderem auch rund 1,60 Meter große Buchstaben-Blöcke (MA und NZ) in Mainz aufgestellt, die als „Hingucker“ und Foto-Hotspot dienen sollten. Die Rolle des fehlenden „I“ in der Mitte sollten Mainzer oder Touristen auf den Fotos dann selbst einnehmen.
Doch manche Geschäftsleute finden, dass solche Maßnahmen nur an der Oberfläche kratzen. Es gelte zunächst einmal, viel grundlegendere Maßnahmen zu ergreifen. Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit in der Innenstadt sollten dabei an erster Stelle stehen, um diese wieder attraktiver zu machen und somit mehr potenzielle Kunden in die Geschäfte zu locken und höhere Umsätze zu generieren. Dass nun endlich etwas getan werden müsse, sagt auch der „City-Carré“-Vorsitzende Dieter Grünewald. Er fordert, dass „diese geschäfts- und imageschädigenden Mängel und Missstände“ beseitigt werden müssen. Denn dies sei einer Landeshauptstadt nicht mehr würdig.
„Mainz hat an Flair verloren“
In vielen Punkten der Meinung Grünewalds zustimmen kann da der Mainzer Geschäftsmann Hans-Jürgen Stierle, der zusammen mit seiner Frau den „Mainzer Gourmet“ (ehemals Destille) in der Römerpassage führt. In den letzten 20 Jahren habe sich die Entwicklung in der Innenstadt verschlechtert, so Stierle. „Es wird einfach zu wenig gemacht, aber das kommt oben bei der Stadt nicht wirklich an. Man nimmt das eher zur Kenntnis, ohne nachhaltig für Besserung zu sorgen.“
Die Probleme fingen bei einer zunehmenden Vermüllung an und gingen dabei über organisierte aggressive Bettelbanden vor Ort bis hin zu Radfahrern, die sich nicht daran hielten, in der Fußgängerzone vom Rad abzusteigen. Was den letzten Punkt angehe, sei in der Vergangenheit bereits einmal vier Monate intensiv kontrolliert worden, was eine deutliche Besserung der Situation gebracht hätte. Doch danach sei es wieder so schlimm wie zuvor gewesen. Das Ordnungsamt selbst will Stierle aber dafür nicht kritisieren. „Die sind völlig überlastet und haben einfach zu wenige Stellen.“
Viele seiner Stammkunden hätten nun mittlerweile aus den genannten Gründen keine Lust mehr, in die Innenstadt zu kommen und kauften stattdessen lieber im Internet. Zuletzt hätten auch die Diebstähle rund um die Römerpassage zugenommen und von Zeit zu Zeit gebe es Probleme mit alkoholisierten Gruppen. Dies alles schrecke die Kunden massiv ab. Stierle kommt letztlich zu dem Schluss: „Mainz hat deutlich an Flair verloren.“
Keine „Ausrede“ mehr
Wie Stierle meint, müsste nun an verantwortlicher Position an einigen Stellschrauben gedreht werden, um bessere Verhältnisse herbeizuführen. Vielfach würde aber genau dort immer alles abgebügelt und so getan, als wäre alles in Ordnung. Hier würde er sich auch beispielsweise mehr Initiative vom Citymanagement wünschen, sagt Stierle. Generell könne er in der ganzen Debatte einen Satz nicht mehr hören: „Wenn es heißt, dass es in anderen Städten auch nicht besser läuft, empfinde ich das als Ausrede.“ Das gelte auch für die Leerstände in Mainz. Auch wenn die Stadt in diesem Zusammenhang auf eine niedrige Leerstandquote verweise, so Stierle, nehme er dies anders wahr.
Jedenfalls sollte man einen Plan haben, um noch mehr Leerstände zu verhindern, meint Stierle. „Wenn jetzt auch noch Galeria Kaufhof verschwinden sollte, wird es für das Umfeld immer schwieriger.“ Werbe-Kampagnen, wie die Buchstaben-Aktion, finde er daher originell und generell nicht schlecht, aber der Zeitpunkt sei ein falscher gewesen. Zuerst sollten die genannten Probleme behoben werden.
Und auch wenn es viele nicht mehr hören können, niedrigere Parkgebühren wären immer noch hilfreich, um mehr Leute in die Stadt zu bringen, so Stierle. Fünf statt zehn Euro würden da schon viel bewirken. Es gebe zwar das „Parken aufs Haus“, doch dies sei viel zu wenigen Leuten bekannt und müsste mehr promotet werden, sagt Stierle. Im Umkehrschluss bedeute das: „Wenn mehr Leute in die Stadt kommen und länger und mehr einkaufen, gibt es für die Stadt auch mehr Gewerbesteuer-Einnahmen.“ Ob sich nun mit dem neuen Oberbürgermeister etwas ändern wird, bleibe abzuwarten, sagt Stierle. Trotzdem habe er die Hoffnung, dass Mainz vorangebracht werden könne. Dennoch werde dies dann wohl Jahre dauern, auch wenn man jetzt damit beginnen sollte.
Die Hoffnung, dass es mit einem neuen Oberbürgermeister in Zukunft voran gehen könnte, hat auch „City-Carré“-Chef Dieter Grünewald. Denn: „Es kann nicht länger hingenommen werden, dass die Stadtverwaltung sich dermaßen inaktiv verhält und weiterhin zulässt, dass es in Mainz bergab geht.“ Alte Strukturen müssten jetzt aufgebrochen werden, so Grünewald. Es brauche jetzt dringend Veränderung, damit die Innenstadt wieder attraktiv wird.