Eigentlich schien das Thema schon vom Tisch zu sein. Doch jetzt flammt der Streit um eine mögliche Umbenennung der Hindenburgstraße und des Hindenburg-Platz in Mainz erneut auf. So hat die Partei „Die Linke“ am Mittwoch im Stadtrat einen Antrag eingebracht, der eine Umwidmung des Straßennamens, die nach dem ehemaligen Reichspräsidenten (1925 bis 1934) Paul von Hindenburg benannt ist, fordert. Hindenburg hatte Adolf Hitler 1933 zum Reichskanzler ernannt.
Experten-Kommission sieht keinen Grund für Umbenennung
Bereits seit 2011 beschäftigt sich bei der Stadt Mainz die Arbeitsgruppe (AG) „Historische Straßennamen“ mit der Thematik. Unter ihnen sind Historiker und Angehörige des Stadtarchivs und des Amts für Kultur und Bibliotheken sowie Mitglieder der Stadtratsfraktion. Ihre Aufgabe ist es, die historisch belasteten Straßen- und Platznamen zu überprüfen und Vorschläge zum Umgang mit diesen zu machen.
Bei der Person Paul von Hindenburg gelangte die Experten-Kommission mehrheitlich zu der Ansicht, dass der damalige Reichspräsident zwar ein überzeugter Monarchist, nicht aber ein Nationalsozialist gewesen sei. Bei einem für die Einordnung entwickelten Fragenkatalog konnten lediglich zwei von sieben Fragen zu Lasten Hindenburgs beantwortet werden. Dabei handle es sich unter anderem um die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933, mit der Hindenburg „einen Beitrag zur Anbahnung der NS-Herrschaft geleistet hatte“. Fragen zur Mitgliedschaft in der NSDAP, zu positiven Äußerungen über Adolf Hitler, die NSDAP oder über die Ausgrenzung und Verfolgung von NS-Opfergruppen seien hingegen zu verneinen. Somit hätten nach Ansicht der Mehrheit der Mitglieder der AG keine hinreichenden Gründe für eine Umbenennung von Hindenburgplatz und -straße vorgelegen.
„Die Linke“ sieht das jedoch anders. Für sie ist Hindenburg unter anderem „Kriegsbefürworter im Ersten Weltkrieg“, wie es in dem Antrag heißt. Damit sei Hindenburg auch ganz wesentlich als (Mit-)Verantwortlicher für Millionen toter Soldaten und Zivilisten verantwortlich. Zudem habe Hindenburg ab 1930 den Übergang vom bürgerlichen Rechtsstaat in die faschistische Diktatur vorbereitet, so die Begründung der Partei. „Eine Umwidmung der ihm zu Ehren benannten Straße bzw. des Platzes ist überfällig!“, erklärt die Fraktion.
Auf das Ergebnis der AG „Historische Straßennamen“ geht „Die Linke“ in ihrem Antrag nicht mehr weiter ein, bescheinigt der Experten-Kommission jedoch „anerkennenswerte Vorarbeit geleistet“ zu haben. Stattdessen verweist die Partei darauf, dass sie im Neustadt-Ortsbeirat bereits im Juni 2020 zusammen mit den Stimmen der Grünen und der SPD eine Umbenennung beschlossen habe. Deswegen möge der Stadtrat nun die Umbenennung der Hindenburgstraße und des Hindenburgplatzes beschließen und die Verwaltung beauftragen, dieses Verfahren schnellstmöglich in die Wege zu leiten.
Unverständnis über Antrag
Doch längst nicht alle Parteien im Mainzer Stadtrat können den Antrag der „Linken“ nachvollziehen. So ist der CDU-Stadtbezirksvorsitzende Torsten Rohe aus der Mainzer Neustadt entsetzt darüber, dass der Antrag zur Umbenennung der Hindenburgstraße im Stadtrat nicht abgelehnt wurde. Er sei insbesondere darüber verärgert, dass die jahrelange Recherche und Diskussion der Historikerkommission, die sich in ihrem Abschlussbericht 2016 gegen die Umbenennung der Hindenburgstraße aussprach, ignoriert wird, so Rohe. „SPD und Grüne wollten diese Kommission, waren daran beteiligt und ignorieren nun das Ergebnis. Es geht SPD, Grünen und Linken nur um Effekthascherei, die ganzen Probleme für die Anwohner und Gewerbetreibenden, vom Umschreiben der Personalausweise bis hin zum Anschreiben der Kunden, interessieren die nicht“, sagt Rohe.
CDU-Ortsbeiratsmitglied Karsten Lange verweist zudem auf eine im Mai und Juni 2008 von ihm initiierte Anwohnerbefragung, bei der 219 Bewohner der Hindenburgstraße persönlich an den Wohnungstüren befragt worden seien. 179 hätten sich dabei gegen eine Umbenennung ausgesprochen. Auch Die CDU-Stadtratsfraktion äußert ihr Unverständnis über die Beschlüsse in der Stadtratssitzung zur Umbenennung der Hindenburgstraße. „Der Antrag der Linken zur Umbenennung der Straße wurde mit Stimmen der Ampel-Parteien und gegen die Stimmen der CDU in den Ausschuss verwiesen. Auch wenn die Umbenennung nicht direkt beschlossen wurde, haben SPD und Grüne die Zustimmung im Ortsbeirat und im Kulturausschuss signalisiert, was eine Umbenennung durch die Hintertür sehr wahrscheinlich macht.“
Straße bald umgewidmet?
Nun meldeten sich auch die Grünen zu Wort und verteidigten die beabsichtigte Umbenennung der nach Hindenburg benannten Straße und des Platzes. So betont der stellvertretende Sprecher der Grünen im Mainzer Stadtrat Gunther Heinisch das Entscheidungsrecht der gewählten Gremien und würdigt die Arbeit der AG Straßennamen. Der Abschlussbericht der AG sei von den Gremien als eine Grundlage für die weitere Entscheidungsfindung zur Kenntnis genommen worden. In anderen Städten hätten entsprechende Fachkommissionen beim gleichen Namensgeber (Hindenburg) ähnliche Kriterien beachtet wie in der Mainzer AG, aber in der Gesamtabwägung einstimmig oder mit großer Mehrheit eine Umbenennung empfohlen, so Gunther Heinisch. In Städten wie beispielsweise Frankfurt, München und Trier seien dann auch Umbenennungen der nach Hindenburg benannten Straßen und Plätzen beschlossen worden.
Ob es nun tatsächlich zur Umbenennung der Straße und des Platzes in der Neustadt kommen wird, wird sich zeigen. Der Antrag der Linken im Stadtrat wurde zwar an den Kulturausschuss verwiesen. Doch nachdem die Grünen klar für eine Umbenennung sind und zudem auch noch die SPD deutlich machte, beim Gang über den Ortsbeirat sowie den Kulturausschuss zustimmen zu wollen, könnte es wohl bald zur Umbenennung kommen.