Was macht man mit einem Sparschwein, einer BDSM-Gerte und einem Überseekoffer? Offenbar ein Livehörspiel über einen Serienmörder aus den 1920ern – zumindest, wenn man die Mainzer Hochschulgruppe „Mienenspiel“ fragt. Merkurist hat mit Autor und Regisseur Andreas Reinhart und den Sprechern Christian M. Roth und Torsten Graefe gesprochen.
Er ist einer der bekanntesten und berüchtigtsten deutschen Serienmörder im 20. Jahrhundert: 24 Jungen und junge Männer soll Fritz Haarmann in den 1920er-Jahren grausam ermordet haben. Vom 12. bis zum 14. Mai kommt seine Geschichte als Livehörspiel auf die Bühne des P1 auf dem Mainzer Unicampus. Mit „Die Haarmann-Protokolle“ wagt sich „Mienenspiel“ an das Genre True-Crime, das sich mit realen Kriminalfällen auseinandersetzt und die Psyche von bekannten Straftätern ergründet. Mit zahlreichen Filmen, Serien und Podcasts über (Serien-)Mörder aus aller Welt erlebt das Format seit einigen Jahren einen regelrechten Boom. Ist das der Grund für die Themenwahl?
Zwischen True-Crime und Gesellschaftssatire
Eigentlich sei er gar kein True-Crime-Fan, erzählt Autor und Regisseur Andreas Reinhart. „Ich bin dem Stoff zufällig begegnet, vor ein paar Jahren.“ Daher seien auch „Die Haarmann-Protokolle“ kein klassisches True-Crime-Format. „Ich würde es am ehesten als Satire bezeichnen“, so Reinhart. In dem Stück wollte er sich kritisch mit dem Genre auseinandersetzen. Denn ein häufiger Kritikpunkt an True-Crime ist die intensive Beschäftigung mit dem Täter und der Tat, während die Opfer und ihre Hinterbliebenen entweder in Vergessenheit geraten oder zur Zielscheibe der Sensationsgier werden.
„Das ist mit Sicherheit nicht unser Ansatz“, versichert Reinhart. Vielmehr zeichne das Stück ein Gesellschaftsbild rund um die Serienmorde, der Täter sei nicht die alleinige Hauptfigur. Dabei gehe es nicht nur satirisch, sondern durchaus auch ernst zu. „Ich glaube, das ist das Schöne an dieser Inszenierung, dieser Wechsel zwischen Komik und Ernst“, sagt Sprecher Torsten Graefe, der für „Die Haarmann-Protokolle“ zum ersten Mal mit „Mienenspiel“ auf der Bühne steht. „Da geht es auch darum, sich selbst zu hinterfragen: ‘Warum lache ich jetzt?’“
Deutschlandweite Aufführungen
Diese Gratwanderung sorge auch für einige beklemmende Momente im Stück. „Es gibt emotional durchaus aufwühlende Szenen“, meint Christian M. Roth, der Fritz Haarmann seine Stimme verleiht. Roth ist seit 2016 Teil der Gruppe und stand seitdem schon für einige düstere Produktionen auf der Bühne – oder auch unter Tage, so wie 2022 mit „Der Totenschacht“ im Kupferbergwerk Fischbach. „Das war schon etwas sehr Besonderes“, sagt Roth.
Schon seit einiger Zeit spielt die Gruppe nicht mehr nur auf der Heimatbühne im P1, sondern auch deutschlandweit. Mit dem bislang erfolgreichsten Stück „Orson Welles und der Krieg der Welten“, geschrieben von Philipp Neuweiler, hatte die Gruppe auch Shows in Hildesheim und Berlin – mit prominenter Unterstützung von „Drei ???“-Sprecher Oliver Rohrbeck und Detlef Bierstedt, Synchronsprecher von George Clooney.
Mit Gemüse und BDSM-Gerte
Bereits beim „Totenschacht“, der ebenfalls aus Reinharts Feder stammt, arbeitete die Gruppe nicht nur mit Sprechern sowie Livemusik und -geräuschen auf der Bühne, sondern auch mit atmosphärischen Licht- und Soundeffekten. Darauf können sich auch die Zuschauer von „Die Haarmann-Protokolle“ einstellen. Einen Unterschied zu vergangenen Produktionen gebe es aber dennoch. Um nicht zu sehr in die Komik abzudriften und nicht Gefahr zu laufen, sich über die Thematik der Serienmorde lustig zu machen, habe die Geräuschemacherin Simone Nowicki dieses Mal nicht unbedingt die absurdesten Gegenstände ausgewählt, um bestimmte Geräusche zu erzeugen.
Welche Gegenstände dieses Mal zu sehen und hören sein werden? „Es kommt auf jeden Fall wieder eine Menge Gemüse zum Einsatz“, verrät Reinhart vorab. „Die spannendsten Gegenstände sind wohl ein Sparschwein, eine BDSM-Gerte und ein Überseekoffer.“ Wie genau diese Dinge erklingen werden, will er jedoch noch nicht verraten. Wer die Aufführungen im Mai auf dem Campus verpasst, hat vermutlich auch danach noch die Gelegenheit, das Livehörspiel zu erleben. Die Gruppe sei momentan mit verschiedenen Locations in Mainz und anderen Städten im Gespräch für weitere Aufführungstermine, darunter auch dem KUZ.
„Die Haarmann-Protokolle“ sind am 12., 13. und 14. Mai im P1 auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität zu sehen, Beginn jeweils 20 Uhr. Tickets sowie Infos zum aktuellen Stück, vergangenen Produktionen und weiteren Projekten von „Mienenspiel“ findet ihr hier.