In Eddys Nachbarschaft in Mainz leben viele Kinder. Sie spielen in den Gärten, während die Erwachsenen auf der Terrasse sitzen. Doch seit diesem Sommer sei es hier für niemanden mehr besonders entspannt. Denn seit im April der Konsum von Cannabis legalisiert worden ist, machen laut Eddy einige Nachbarn von diesem Recht rege Gebrauch.
„Die Rauchschwaden der Joints ziehen durch mehrere Gärten, und das teilweise den ganzen Nachmittag lang“, berichtet Eddy im Gespräch mit Merkurist. Sorgen mache ihm das vor allem wegen der Kinder. Inzwischen würden sie sich nur ungern in ihrem Garten aufhalten. Die Familie nebenan plane sogar schon, wegen des Rauchs wegzuziehen.
Wie weit geht der Schutz von Kindern?
Eigentlich ist es verboten, in der Nähe von Kindern und Jugendlichen Cannabis zu konsumieren. Im Gesetz wird dies explizit jedoch nur auf Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie Fußgängerzonen beschränkt. Ziel soll zum einen sein, die schädlichen Chemikalien von Kindern fernzuhalten sowie die berauschenden Auswirkungen des Rauchs zu verhindern. Zum anderen soll vermieden werden, dass Kinder schon früh in Kontakt mit der Droge kommen und so zum Konsum verleitet werden.
Doch wie sieht das im privaten Bereich aus? Darf der Konsum auch hier eingeschränkt werden, zum Schutz von Kindern? Da sich keine konkreten Antworten in den offiziellen Regelungen finden lassen, haben wir dazu einige Experten gefragt.
Cannabis in unmittelbarer Gegenwart von Minderjährigen verboten
Das rheinland-pfälzische Sozialministerium sieht die Sachlage eindeutig: So sei im Cannabisgesetz vom 27. März der Konsum von Cannabis in unmittelbarer Gegenwart von Minderjährigen generell verboten worden, heißt es auf Anfrage bei der Pressestelle. Konkret bedeute das: „Dies gilt uneingeschränkt, das heißt unabhängig davon, ob es sich um private oder öffentliche Flächen handelt.“
Gleichzeitig heißt es aber aus dem Ministerium auch, dass es keine spezielle Regelung gebe, die das Rauchen von Cannabis auf privaten Grundstücken beinhalte. Gleichzeitig gebe es „zivilrechtliche Vorschriften des Nachbarschutzes“. Somit sei abzuwägen, ob eine „Duldungspflicht“ oder Beeinträchtigungen, wie beispielsweise Rauch, mehr Gewicht haben.
Ist die Belästigung „unzumutbar“?
Der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Christian Giloth, sieht das differenzierter. „Die wichtigste Einschränkung, die auch für Privatgrundstücke gilt, stellt das Konsumverbot in unmittelbarer Nähe zu Minderjährigen dar“, so der geschäftsführende Partner bei Hobohm Natalello Giloth GbR. Das beziehe sich aber vor allem auf die unmittelbare Umgebung, also etwa die eigene Wohnung oder sobald sich das Privatgrundstück in Sichtweite einer Einrichtung befindet, in dem sich Kinder und Jugendliche aufhalten – zumindest in einem Abstand von 100 Metern zu dessen Eingangsbereich. „Nach unserer Auffassung steht daher dieses Gesetz einem Konsum innerhalb der eigenen Wohnung, auf dem nicht einsehbaren Balkon oder nicht einsehbaren Grundstück nicht entgegen“, so Giloth.
Halte sich der Nachbar an die gesetzlichen Vorgaben, sei ein rechtliches Vorgehen laut dem Anwalt „nur in Ausnahmefällen erfolgversprechend“. Ähnlich wie bei Tabakrauch lohne sich eine juristische Prüfung erst, wenn die Belästigung als „unzumutbar“ eingestuft werden könne. „Daher müssten die Immissionen, die auf das Grundstück einwirken, schon massiv sein.“ Bei Gerichtsurteilen zu Tabakkonsum seien in solchen Fällen teilweise Stundenpläne für den auf dem Balkon rauchenden Nachbarn erstellt worden.
Hohe Hürden bei kiffenden Nachbarn
Auch bei Kindern seien die Hürden hoch, gegen einen kiffenden Nachbarn vorzugehen. Ein Verstoß gegen das Gesetz liege laut Giloth nur vor, wenn sich diese unmittelbar neben dem Rauchenden befinden. „Hiervon dürfte bei Nachbarn nur äußerst selten auszugehen sein, da Grundstücksmauern oder Hecken nebst einigen Metern Abstand grundsätzlich schon genügen, um nicht mehr von einer unmittelbaren Gegenwärtigkeit auszugehen.“ Lediglich bei Balkonen oder Terrassen, die direkt aneinandergrenzen, sei ein Verstoß denkbar und könne im Einzelfall geprüft werden. Und das auch nur, wenn sich das Kind dort in dem Augenblick aufhalte.
Auch aus dem Sozialministerium heißt es: Ob man sich generell gegen eine solche Belästigung wehren und ein Rauchverbot ausgesprochen werden kann, sei von „den konkreten Umständen des Einzelfalls“ abhängig. „Das lässt sich nicht pauschal beurteilen.“