Studie deckt Hunderte Fälle sexuellen Missbrauchs in Mainz auf

Jahrzehntelang soll verschwiegen und verharmlost worden sein.

Studie deckt Hunderte Fälle sexuellen Missbrauchs in Mainz auf

Jahrzehntelang sollen zahlreiche Fälle von sexuellem Missbrauch im Bistum Mainz verschwiegen und verharmlost worden sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Rechtsanwalts Ulrich Weber, die er am Freitag in Mainz vorgestellt hat.

„Das Bistum als verantwortliche Institution hat durch unangemessenen Umgang und mangelnde Kontrolle in vielen Fällen sexuellen Missbrauch begünstigt", so Weber, der bereits zuvor die Studie zur körperlichen und sexuellen Gewalt bei den Regensburger Domspatzen geführt hatte. Auch die Pfarrgemeinden hätten sich mit den Beschuldigten solidarisiert und die Opfer diskreditiert sowie eine Aufklärung erschwert. Dadurch seien weitere Fälle erst möglich geworden.

In der Studie geht es um den Zeitraum zwischen 1945 und 2019. 25.000 Seiten Akten hatten Weber und sein Team analysiert und zahlreiche Gespräche mit Beteiligten geführt, darunter über 400 mutmaßlich Betroffene und fast 200 Beschuldigte. Die Hälfte seien einer schweren oder besonders schweren Straftat zum Opfer gefallen. Unter den Betroffenen seien außer Kindern und Jugendlichen auch Erwachsene. Zu den Beschuldigten gehören Kleriker, Angestellte und ehrenamtlich Tätige.

Harte Anschuldigungen gegenüber Bischöfen

Vor allem in der Zeit unter Bischof Hermann Kardinal Volk (1962 bis 1982) seien besonders viele Missbrauchsfälle aufgetreten. Er habe keinen Blick für das Leiden der Opfer gehabt, sondern nur vermeiden wollen, dass öffentliches Ärgernis entstehe. Ebenso habe Bischof Karl Kardinal Lehmann (1983 bis 2017) den selbst geäußerten „Anspruch für den Umgang mit sexueller Gewalt in der katholischen Kirche im Bistum Mainz selbst zu keiner Zeit erfüllt", sagt Weber. Der jetzige Bischof Peter Kohlgraf hingegen nehme die Vorwürfe ernst und sei bereit, die Fälle aufzuarbeiten.

„Wir wollen in erster Linie nicht anklagen, sondern verstehen“, hatte Weber bereits vor einigen Monaten erklärt (wir berichteten). Denn Betroffene, Kirche und das gesellschaftliche Umfeld müssten nun die Geschehnisse bewältigen. Auch soll die Dokumentation und Bewertung es ermöglichen, künftig besser Situationen zu erkennen, „die sexuellen Missbrauch begünstigen oder ermöglichen“. Im besten Fall sollen Menschen also lernen, wie sie mit kritischen Situationen gut umgehen können. Daher auch der Titel der Studie: „EVV“ steht für „Erfahren, Verstehen, Vorsorgen“.

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