„Sie krien uns nit kaputt“ – mit diesem Satz zeigte Seppel Glückert während der Zeit des Nationalsozialismus deutlich, dass er sich nicht einschüchtern lassen wollte. Er bekannte sich damals offen als Kritiker des NS-Regimes und glänzte als begabter Büttenredner in der Mainzer Fastnacht. So wurde er zu einer echten Fastnachtslegende und bleibt bis heute ein Mainzer Original.
Glückert im „echten Leben“ und in der Fastnacht
Im „echten Leben“ war Glückert Schreibwarenhändler. Er wurde am 1. Juni 1891 in Mainz als Sohn eines Schreibwarenhändlers geboren. Als Kind sang er im Domchor, als überzeugter Katholik war er außerdem im Katholischen Kaufmännischen Verein seiner Heimatstadt aktiv. Schließlich übernahm er das Geschäft seines Vaters.
Im Jahr 1925 begann Glückerts Fastnachtskarriere mit dem Eintritt in den Mainzer Carneval Verein (MCV). Seine Begabung für Büttenreden wurde früh entdeckt und nur drei Jahre später übernahm er dort das Amt des Protokollers. Von 1947 bis 1955 war er außerdem Präsident des Vereins. Besondere Redekünste und ein Talent für humorvolle Auftritte in der Bütt machten ihn schnell zu einer beliebten Persönlichkeit in der Mainzer Fastnacht. Auch sein Auftreten während der NS-Zeit trug dazu bei.
Öffentliche Kritik am NS-Regime trotz Risiko
Glückert lebte während der gesamten NS-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg in Mainz. Er bekannte sich als Kritiker des Nationalsozialismus, obwohl er sich dadurch stark in Gefahr brachte. Bereits kurz nach der Machtergreifung 1933 äußerte er sich kritisch über die NS-Herrschaft: „Zu reden hier heut braucht man Mut, Weil, eh mer sich vergucke dut, Als Opfer seiner närrischen Kunst kann einquartert wer'n ganz umsunst.“
Zwei Jahre später wurde Glückert für seine mutigen Aussagen während der Fastnachtskampagne dann tatsächlich verhaftet. Dieser ließ die Aktion der Nationalsozialisten nicht unkommentiert – obwohl sie sich letztendlich als Fastnachtsscherz herausstellte, der Glückert einschüchtern sollte. In der Kampagne 1936 machte er sich über die Aktion lustig. Auch viele Mainzer Bürger lehnten diesen „scherzhaften“ Einschüchterungsversuch entschieden ab und standen zu Glückert.
Bei der Fastnachtskampagne 1938 erregte er dann in einer Sitzung sehr großes Aufsehen, als er das Konzentrationslager Dachau erwähnte. Die Direktübertragung im Radio wurde sofort abgebrochen. Glückert war sich des Risikos seiner Aussagen bewusst, vermutlich schützte ihn nur seine große Popularität in der Bevölkerung vor den Gefahren durch die NS-Regierung.
Glückert bleibt auch in der Nachkriegszeit aktiv
Auch nach dem zweiten Weltkrieg endete sein Engagement nicht, ganz im Gegenteil: Glückert trat weiterhin in der Fastnacht auf. In der Bevölkerung stieg so seine Beliebtheit immer weiter. Auch bei den französischen Besatzern wurde er hoch angesehen. Sie gaben ihm den Beinamen „poète“.
Das Ende seiner Fastnachtskarriere kam 1951, als Glückert offiziell die Mainzer Fastnacht verließ. Ein letztes Mal kehrte er als Vorsitzender des MCV für die Teilnahme an einer Herrensitzung 1955 zurück. Nur wenige Wochen danach starb er an einem Schlaganfall. Unter großer Anteilnahme wurde Glückert auf dem Mainzer Hauptfriedhof beigesetzt. Auch heute noch kann man sein Grab dort besuchen.
So bleibt Seppel Glückert in Erinnerung
Seppel Glückert bleibt bis heute ein Mainzer Original und eine Legende der Fastnacht. Der „Spiegel“ bezeichnete ihn einmal als „König der Büttenredner“. In der Stadt Mainz kann man sich an verschiedenen Stellen an diese Legende der Fastnacht erinnern. In der Innenstadt ist eine Straße nach ihm benannt, außerdem gibt es seit Juni 2024 im Kirschgarten eine Gedenktafel. Der noch immer bestehende Katholische Kaufmännische Verein Mainz 1877 und die CDU Mainz-Altstadt ließen die Tafel an Glückerts Geburtshaus anbringen.
Hinweis:
Ursprünglich hatten wir geschrieben, dass der KKV und der MCV die Tafel anbringen ließen. Das war nicht korrekt. KKV und MCV stellten 2023 eine Gedenktafel für Glückert vor, aber der KKV und die Altstadt-CDU spendeten die Tafel und ließen sie 2024 anbringen.