Gibt es mehr queerfeindliche Angriffe in Mainz als früher?

In den vergangenen Tagen machte die Mainzer Polizei wieder auf queerfeindliche Vorfälle in Mainz aufmerksam. Doch haben diese Angriffe zugenommen? Wir haben nachgefragt.

Gibt es mehr queerfeindliche Angriffe in Mainz als früher?

Erst sagte er: „Verpiss dich, du Schwuchtel!“, dann schlug er einem 35-Jährigen ins Gesicht und flüchtete im Porsche: Ein Unbekannter hat erst vor wenigen Tagen einen Mann in der Mainzer Altstadt angegriffen. Warum? Weil der 35-Jährige die Hand seines Ehemanns hielt, als er durch die Stadt ging. Nicht der einzige Angriff, der in den vergangenen Tagen und Wochen auf Homosexuelle in Mainz stattgefunden hat.

Im Zuständigkeitsbereich der Polizei Mainz wurden im Jahr 2022 laut Polizeiangaben zehn Straftaten registriert, die sich gegen die sexuelle Orientierung oder die geschlechtsbezogene Diversität richteten. Letzteres meint vor allem Angriffe auf Transpersonen. „Für das laufende Jahr 2023 haben wir eine ähnliche Entwicklung, die genauen Zahlen hierfür sind jedoch noch nicht valide nachvollziehbar“, erklärt ein Polizeisprecher auf Anfrage von Merkurist. Attacken auf queere Menschen würden aber zunehmend von der Polizeipressestelle veröffentlicht, „um auf die besondere Problematik aufmerksam zu machen, zu sensibilisieren und um Zeugen zu gewinnen“. Dadurch könne der subjektive Eindruck entstehen, dass sich die Übergriffe deutlich häufen.

Fast alle Taten gehen von Männern aus

Ob Angriffe auf queere Personen in jüngerer Vergangenheit aggressiver als noch in den Vorjahren geworden sind, könne man nicht einschätzen, heißt es auf Anfrage. Statistisch würden lediglich Straftatbestände unterschieden wären. Klar ist aber: Fast alle queerfeindlichen Attacken in Mainz gehen von Männern aus, wie die Polizei erklärt. Von insgesamt 38 Vorfällen, die in den Jahren 2019 bis 2022 im Zuständigkeitsgebiet des Polizeipräsidiums Mainz registriert wurden, ging nur ein Vorfall von einer Frau aus. Die restlichen 37 von Männern.

Bei der Polizei hat die Sensibilität für das Thema queerfeindliche Angriffe in den vergangenen Jahren auf jeden Fall zugenommen. An der Hochschule der Polizei werden Beamte gezielt von der „Ansprechstelle LSBTI*“ zum Thema geschult. Seminare würde es auch für Bestandspersonal geben. Die Beamten werden dahingehend geschult, queerfeindliche Motive herauszuarbeiten, sollten Anzeigen aufgenommen werden. „Die Beamt*innen müssen also bei vorliegenden Anhaltspunkten explizit danach fragen“, heißt es von der Polizeipressestelle. Möglich ist dann auch, dass spätere Strafen deutlich schärfer ausfallen, sollte sich der Vorwurf erhärten. „Keine Rolle spielt dabei in aller Regel die tatsächliche sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität des Opfers, denn es geht hier um die Motivlage der Tat.“

Etwas mehr als die Hälfte aller Vorfälle aufgeklärt

Nimmt man die queerfeindlichen Angriffe der Jahre 2019 bis 2022 in ganz Rheinland-Pfalz zusammen, so ergibt sich laut LKA eine Aufklärungsquote von rund 59 Prozent. Heißt im Klartext: Etwas mehr als die Hälfte aller queerfeindlichen Attacken im genannten Zeitraum konnten aufgeklärt werden. Laut Polizeiangaben würden viele der Angriffe aber auch auf offener Straße oder im anonymen Raum ablaufen. Das erschwere die Fahndung nach Tätern, sofern die Polizei in diesen Fällen überhaupt eingeschaltet wird. „Es ist nicht selten, dass die Straftaten erst nach reiflicher Überlegung am Folgetag erstattet werden. Geschehen diese Straftaten im Internet bzw. Social Media, sind die Ermittlungsansätze meist deutlich besser“, so die Polizei.

Tatsächlich scheint es aber deutlich mehr queerfeindliche Angriffe gegeben zu haben, als es die Statistik ausweist. Weil nur die Fälle einfließen, die auch unter dem Tatmotiv homo- oder queerfeindlich zur Anzeige gebracht werden, scheint die Dunkelziffer deutlich größer zu sein.