Als er noch ein Kind im Mainzer Stadtteil Finthen war, hatte Peter Leussler zwei Träume: einen Porsche besitzen und einen eigenen, kleinen Laden betreiben. „Ich habe schon als Kind gerne Verkaufsladen gespielt und eigene Speisekarten geschrieben. Meine Mama hat mir immer nachgesagt, ich hätte damals eine blühende Fantasie“, sagt er im Gespräch mit Merkurist. Den Traum vom eigenen Laden erfüllte sich Peter Leussler vor genau 25 Jahren. Wie so häufig in seinem Leben, spielten Timing, etwas Glück und seine Hartnäckigkeit eine Rolle.
Geschäft mit Schmerzensgeld eröffnet
Man könnte wohl ein ganzes Buch darüber schreiben, wie Peter Leussler im Jahr 2000 dazu kam, seinen eigenen kleinen Laden für Fleisch und Wurst in der Kurfürstenstraße zu eröffnen. Die Kurzfassung geht aber so: Leussler leitete in einem Supermarkt in Mainz-Marienborn die Abteilung für Fleischwaren. Als eine ehemalige Chefin sich bei ihm meldete und ihm anbot, ihren Laden in der Neustadt zu übernehmen, fehlte ihm jedoch das Geld. Bis seine Mutter kurz darauf an einem Zebrastreifen angefahren und verletzt wurde, als sie bei der Bank Geld als Spende für einen Obdachlosen besorgen wollte.
Leusslers Mutter wurden 60.000 D-Mark Schmerzensgeld zugesprochen, 20.000 davon durfte Peter nutzen, um sich den Traum vom eigenen Geschäft zu erfüllen. Das Geld zahlte Leussler seiner Mutter schnell zurück, denn der Laden brummte. „Meine Mutter hat an mich geglaubt und mich unterstützt“, erinnert er sich. Auch nach ihrem Tod spielt seine Mutter für Peter Leussler eine wichtige Rolle. Ein Foto von ihr steht ganz präsent in seinem Geschäft.
2014 erfand sich Leussler mal wieder neu. Nachdem sein Mietvertrag plötzlich gekündigt worden war, stand der Metzger, der eigentlich nie einer war (dazu später mehr), vor dem Aus. Die Kündigung erhielt er persönlich im Geschäft, erinnert er sich zurück. „Ich habe sie einfach mal entgegengenommen. Der Laden war voll, ich war eingespannt und habe einfach ‘jaja, ok’ gesagt.“ Doch später dämmerte Leussler, was ihm da mitgeteilt worden war. „Es sickerte Stück für Stück bei mir durch. Mir wurde nur ganz langsam klar, dass es hier um meine Existenz geht.“
ZDF-Doku begleitet Peters Umzug
Kunden protestierten vor dem Geschäft für den Erhalt des Ladens, das ZDF wurde sogar auf die Geschichte aufmerksam und begleitete Leussler für das Format „37 Grad“ über Monate hinweg. Irgendwann waren neue Räume in der Feldbergstraße gefunden. Als er zum ersten Mal den Schlüssel umdrehte und den Laden betrat, begleitete ihn das Kamerateam. Noch heute erinnert er sich lebhaft an den Moment zurück – noch immer ist er in der Feldbergstraße ansässig.
Wurstwaren verkauft Leussler aber nicht mehr, inzwischen ist es ein ausgewiesener Imbiss. „Die Gesetzeslage hat sich geändert und ich habe gesagt: ‘Ok, dann betreibe ich ab jetzt eben einen Imbiss.’“ Statt 100 Gramm Salami und 100 Gramm Leberwurst holt man „Beim Peter“ nun einen Burger To-Go oder isst in seinem Laden ein Steak. Leussler sagt: „Im Endeffekt war das eine gute Entscheidung, die ich nicht bereue.“
Von der Metzgerei zum Imbiss
Leussler musste daraufhin den Laden verkleinern. „Was mir immer noch leidtut ist, dass ich meine Angestellten damals entlassen musste. Das waren bittere Momente.“ Inzwischen steht der Chef selbst im Laden, unterstützt wird er von einem Koch. Drei freie Tage in der Woche gönnt sich das Duo, mit Mitte 50 brauche er mehr Zeit als früher zur Erholung, sagt Leussler.
Deftiges Essen wie Schnitzel, Pommes, Bratwurst oder Hamburger serviert Peter Leussler zu „fairen Preisen“, wie er sagt. Dieses Konzept machte ihn bekannt und er verfolgt es bis heute. Inzwischen experimentiert Leussler aber auch mit Thunfischsteaks oder Hummern in der Auslage. Das käme bei manchen Kunden durchaus gut an.
Wenn Kunden manchmal kein Bargeld zur Hand haben, können sie auch mal später wiederkommen und dann erst bezahlen. „Die meisten Menschen sind da sehr ehrlich“, sagt Leussler. „Einmal hatte mich eine Mutter mit Kind nach dem Essen gefragt, ob sie am nächsten Tag bezahlen könnte. Die habe ich in meinem Leben nie wieder gesehen.“ Seine positive Grundeinstellung hätten ihm aber auch solche Erfahrungen nicht genommen.
Privat eher zurückhaltend
Privat sei er eigentlich ein sehr zurückhaltender Typ, beschreibt sich Peter Leussler selbst. „Die Leute können sich das immer nicht vorstellen und denken, ich mache Witze.“ Wer ihn in seinem Laden zwei Stunden über die Schulter guckt, erlebt einen „Menschenfänger“: mit jedem per Du, um keinen Spruch verlegen, immer auf Sendung. Er selbst sagt: „Der Laden ist für mich wie eine Bühne. Das Licht geht an und ich bin dann plötzlich so, wie mich die Leute hier kennen.“ Entscheidungen trifft Leussler eigentlich immer aus dem Bauch heraus – und das geht auch mal nach hinten los. „Manchmal fühlen sich Leute von mir angegriffen, wenn ich mal etwas Unüberlegtes sage oder in sozialen Medien poste“, so Leussler. „Ich meine es aber nie böse.“
Die Gäste, die bei Peter einkehren, sind durchmischt. Vom Studenten bis zur Rentnerin, vom Ur-Mainzer bis zum asiatischen Tourist. „Neulich habe ich mal sechs unterschiedliche Nationen gezählt, die hier gleichzeitig im Laden waren. Ist das nicht cool?“ Englisch sprechen, damit hat der Gastronom so seine Probleme, aber mit Händen, Füßen und ein paar auswendig gelernten Sätzen funktioniere das auch.
Als Merkurist Peter Leussler zum Interview besucht, sind auch zwei Gäste aus Mannheim im Laden. „Ich wohne seit ein paar Jahren in Mainz und wollte mit meinem Kumpel hier in der Mittagspause etwas Ehrliches essen“, erzählt einer von ihnen. „Hier gibt es ja jede Menge hippe Restaurants: Sauerteigbrot, Bowls und so. Aber manchmal darf es auch mal ein Burger mit Pommes sein. Einen Laden wie diesen findet man in der Neustadt sonst nicht.“
Was wurde aus dem Traum vom Porsche?
Das Jubiläum sei für Leussler auch Gelegenheit, an die Erlebnisse der vergangenen 25 Jahre zurückzudenken. An seine verstorbene Mutter etwa, oder daran, wie er hier im Laden seine heutige Lebensgefährtin kennenlernte. Den zweiten großen Kindheitstraum – einen roten Porsche – erfüllte sich Peter Leussler schon vor einigen Jahren. „Der ist auch fast 25 Jahre alt und sieht aus wie neu. Wir wohnen in der Neustadt, erledigen beinahe alles zu Fuß und ich komme fast nie dazu, ihn zu fahren“, sagt Leussler.
Wie lange er seinen Kult-Imbiss noch betreibt? Das weiß Peter auch noch nicht. „Ich merke das Alter, habe einige körperliche Baustellen. Aber wenn ich hier im Laden stehe und mich bewegen kann, dann ist alles gut“, sagt er. „Wenn nichts Gravierendes passiert, mache ich den Beruf so lange es geht – bis zum Umfallen.“