Betonwüste Mainz? Das sagt die Stadt

Nicht alle Mainzer sind mit der baulichen Entwicklung ihrer Stadt zufrieden. Viele finden, sie sei zu „grau“ statt „grün“. Doch kann man deshalb aus heutiger Sicht pauschal sagen, dass bei der Stadtplanung in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden?

Betonwüste Mainz? Das sagt die Stadt

Wenn man Mainzer fragt, wie ihre Stadt in Zukunft aussehen soll, dann kommt immer wieder die Forderung nach „mehr Grünflächen“. Viele kritisieren nämlich, dass die Stadt seit Jahren zur „Beton-Wüste“ verkomme. Denn weit über die Hälfte der Mainzer Stadtfläche (56 Prozent) ist zubetoniert. Damit landet Mainz auf Platz 21 von 134 der meistversiegelten Städte Deutschlands (wir berichteten).

Auch Leserin Marie ist mit der städtebaulichen Entwicklung nicht zufrieden. Sie findet Mainz an „vielen Ecken grau und hässlich“. Wie sie sagt, erinnerten sie Straßenzüge wie die Ludwigsstraße, Lotharstraße, Flachsmarktstraße, Große Langgasse, Rheinstraße oder Quintinsstraße eher an frühere Ruhrpottstädte. Haben also zugespitzt formuliert die Städteplaner in der Vergangenheit versagt?

Mainz „modernste Stadt der Welt“

Vor der gewaltigen Aufgabe, Mainz wieder aufzubauen, standen jedenfalls die Planer nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Denn in der Mainzer Innenstadt waren etwa 80 Prozent der Bausubstanz und im gesamten Stadtgebiet 61 Prozent zerstört, gibt Wolfgang Stumme in seinem Aufsatz „Wiederaufbau in Mainz nach 1945“ an. Die Neugestaltung der Stadt in der französischen Besatzungszone sollte dabei Marcel Lods übernehmen, der aus dem zerstörten Mainz die „modernste Stadt der Welt“ machen wollte. Demnach hätte unter anderem nach dem Abriss der nur teilzerstörten Neustadt ein neues Wohngebiet vom Rhein bis zum Hartenberg entstehen sollen. Dafür seien zehnstöckige Häuser geplant gewesen, zwischen denen Grünflächen entstehen sollten.

Den Straßenverkehr wollte man gar unterirdisch führen, und das Bleichenviertel hätte endgültig abgerissen werden müssen. Doch letztlich wurden die Ideen nicht in die Tat umgesetzt. „Lods scheiterte mit seiner Vision, denn weder die Mainzer Bürger, noch die Stadtverwaltung fanden Verständnis für diesen radikalen Einschnitt“, schildert Stumme in seinem Aufsatz die damalige Situation. Schließlich „vollzog sich der Wiederaufbau von Mainz in den 50er Jahren als eine Folge von Kompromissen und Zufälligkeiten, die auch den Abbruch bedeutender historischer Bausubstanz mit einschloss“, erklärt der deutsche Architekt Paul-Georg Custodis. Ein systematischer Wiederaufbau der Stadt sei dann jedoch erst in den 70er Jahren erfolgt, gibt Stumme an.

„Jede Stadtstruktur mit Vor- und Nachteilen“

Doch wie bewertet nun die Verwaltung die bauliche Entwicklung und die Kritik, Mainz sei eine graue und betonlastige Stadt? Auf Anfrage von Merkurist erklärt Stadtsprecher Ralf Peterhanwahr, dass man sich beim Wiederaufbau von Mainz nach Abwägung unterschiedlicher Lösungsansätze dazu entschieden habe, auf alte vormalige Strukturen zurückzugreifen. „Die positiven Aspekte des Erhalts von Stadtgeschichte und Stadtstruktur boten im Gegenzug kaum Möglichkeiten zur Generierung von Freiräumen und ‘Grünqualitäten’, zumal Mainz lange als Bundesfestung von Wehranlagen eingeschnürt war.“

Die Stadt wirbt daher für Geduld, wenn es um Veränderungen am Stadtbild geht. Denn eine Stadt wachse über Jahrhunderte wie ein Organismus, den man nicht einfach „tagesaktuell umbauen kann“, sagt Peterhanwahr. Alle Veränderungen benötigten Zeit und müssten bestehende Strukturen berücksichtigen. Jede Epoche habe eigene Leitbilder, die ihre Spuren dauerhaft hinterlassen. „Gerade diese Spuren sind es aber, die Identität schaffen und Städte unverwechselbar machen.“ Jede Stadtstruktur, egal welcher Form, habe also ihre eigenen Besonderheiten und damit Vor- und Nachteile.

Außerdem sei jede Phase der Stadtentwicklung von spezifischen Schwerpunktsetzungen geprägt, weshalb sich die Quartiere unterschiedlicher Entstehungszeiten so stark voneinander unterscheiden. Die Stadt stehe daher auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten immer wieder vor neuen Herausforderungen, genauso wie die Planer in den vergangenen Epochen der Stadtgeschichte. Generell bestünden jedoch jederzeit Möglichkeiten, die Stadt punktuell umzugestalten. „Allerdings nur in kleinen Schritten und zumeist nur dort, wo aktiv Veränderungen vorgenommen werden“, so Peterhanwahr.

Welche Ziele und Maßnahmen die Stadt Mainz nun konkret verfolgt, erfahrt ihr bald in einem weiteren Artikel zum Thema.