Seit rund 30 Jahren ist Atze Schröder in der Comedy-Szene aktiv und hat als „Stand Upper“ mehrfach den Deutschen Comedy- sowie auch den Fernsehpreis gewonnen. Aktuell ist er mit seinem Programm „Echte Gefühle“ auf Tour. Damit kommt er im Sommer auch zu einem Open Air nach Mainz. Im Interview spricht der Comedian, dessen Markenzeichen Lockenkopf, Pilotenbrille und Ruhrpott-Slang sind, über den deutschen Schlager, seine Lieblings-Comedians und Themen, die man „brachial angehen“ muss.
Merkurist: Im Sommer werden wir Dich bei „Kultur im Ried“ in Mainz-Laubenheim erleben. Was verbindest Du eigentlich mit Mainz?
Atze Schröder: Ich bin ja jetzt schon fast 30 Jahre in dem Job und hatte auch schon einige Auftritte in Mainz. Ich war oft in der Phönix-Halle (heute Halle 45), aber auch bei anderen Events. Und mit Mainz verbinde ich immer sehr viel Feierei (lacht).
Dein aktuelles Programm heißt „Echte Gefühle“. Auf was kann sich das Publikum in Mainz also einstellen?
Es geht darum: Wo werden wir belogen – zum Beispiel von der Werbung? Und da ist die Frage: Wo bekommen wir noch echtes Gefühl? Es gibt zum Beispiel gute und schlechte Werbung. Wenn Jürgen Klopp im Fernsehen sagt: ‘Die Rente ist sicher’, dann denkt man als erstes: Ja, Jürgen, deine Rente. Oder Klopp macht Werbung für Autos, aber nicht für Porsche und Ferrari, sondern für einen Opel Mokka – da denkst du, mit so einem Streptokokkensauger würdest du doch nie durch Liverpool fahren. Oder wenn unser ehemaliger Nationaltorwart Werbung für ‘Head & Shoulders’ macht, da denkst du auch: Wie viele Schuppen musst du haben.
Aber auch über den deutschen Schlager spreche ich. Björn von ABBA hat ja vorgeschlagen, dass die Deutschen beim nächsten ESC mit einem Schlager antreten sollten. Und bei mir geht es auch sehr um Schlagertexte. Wenn Andrea Berg singt: ‘Die Gefühle haben Schweigepflicht’ und ‘Du hast mich Tausend Mal betrogen, Tausendmal verletzt’ und dann am Ende noch: ‘Ich würd’ es wieder tun mit dir’, dann denkt man auch langsam: Die braucht eine Therapie.
Du bist ein Comedy-Urgestein. Wie hat sich Deiner Meinung nach die Comedy-Szene in den letzten 30 Jahren in Deutschland verändert?
Sie hat sich auf jeden Fall sehr verändert – weg vom schnellen Witz zu mehr Haltung, das ist sehr auffällig. Und was auch toll ist, dass jetzt viel mehr Frauen dabei sind. Früher gab es nur Anke Engelke und weit und breit nichts. Jetzt haben wir zum Beispiel Carolin Kebekus und auch viele neue Stand Up-Künstlerinnen. Ich war zuletzt bei ‘Night Wash’, das wird jetzt auch von einer Frau moderiert, von Luisa Charlotte Schulz. Und da habe ich auch gedacht: sensationell, intelligent, große Klappe, genau richtig so. Das zeigt eben auch die Veränderung.
Gibt es für Dich auch Grenzen in Deinem Programm beziehungsweise bestimmte Themen, über die Du keine Witze machst?
Ich glaube, man kann nach wie vor über alles Witze machen, aber man muss nur den ‘Teppich richtig legen’. In meinem aktuellen Programm rede ich auch über Fleischkonsum. Da sage ich ganz krass auf der Bühne: Stellt euch vor, ich würde ein Schwein vögeln. Dann ist das Publikum zuerst einmal entsetzt. Und ich sag dann: Verurteilt mich mal nicht so schnell. Denn wenn ich mich jetzt hier hinsetzen und ein Schweine-Schnitzel essen würde, würdet ihr wahrscheinlich ‘guten Appetit’ rufen. Und das ist auch völlig absurd. Aber manche Themen muss man heute eben brachial angehen.
Du hast Deinen eigenen Podcast „Betreutes Fühlen“. Darin besprichst Du auch ernstere Themen. Gibt es bei Dir seitdem auch ernstere Momente auf der Bühne?
Die ernsteren Momente gibt es, aber an erster Stelle steht immer das Lachen. Ich versuche mich an Themen, wo ich sage: Wo kann ich die Brechstange ansetzen, dass daraus etwas Lustiges wird. Ganz egal, ob das Frauenrechte sind, Fleischkonsum oder dass man das Thema gleichgeschlechtliche Liebe raus aus der Schmuddel-Ecke holt und das leicht macht. Am kultiviertesten ist ja immer, wenn man sich selbst ertappt fühlt. Ich nehme mich da nicht aus. Ich versuche da, das Publikum mitzunehmen und nicht vorzuführen. Und wenn man lacht und im nächsten Moment denkt: ‘Scheiße, mach’ ich auch immer’, dann finde ich das immer besonders beeindruckend.
Aktuell bricht „LOL“ auf Amazon wieder sämtliche Rekorde. Wäre dieses Format auch was für Dich?
Ich hatte eine Anfrage für die erste Staffel, habe aber sofort abgesagt. Ich finde die Sendung super, schaue die auch und lache mich schlapp. Aber ich wäre nach einer halben Minute raus. Ich bin der Ungeeignetste für das Format.
Über wen kannst Du im Moment am meisten lachen?
Nach wie vor über Carolin Kebekus. Teddy habe ich jetzt gesehen in einer dreistündigen Show. Das würde ich mir normalerweise nie angucken, aber das war so gut und ich habe so gelacht. Im Moment der beste Stand Upper in Deutschland ist für mich Till Reiners. Das finde ich so intelligent, was der macht, aber eben auch so witzig.
Wie gehst du vor, wenn du ein neues Bühnenprogramm schreibst?
Ich schreibe immer mit einem Autor zusammen, denn zu zweit macht es mehr Spaß. Da lacht man schon beim Schreiben. Mein neues Programm, das ab November zu sehen ist, heißt: ‘Der Erlöser’ und da habe ich bisher schon 500 Stichworte notiert und die ersten zwei Nummern sind tatsächlich schon geschrieben.
Mit „Alles Atze“ warst du Ende der 90er-Jahre der erste Comedian, der eine eigene Comedy-Serie hatte. Wäre ein solches Format in der heutigen Zeit noch vorstellbar?
Nein, das wäre heute so nicht mehr möglich. Das war ja sehr politisch unkorrekt damals. Zudem war es eine saumäßige Maloche. Ich glaube, da würde ich lieber zum Tiefbau gehen. Die Drehtage waren immer so 12 bis 14 Stunden, also pro Woche wurde eine Folge gedreht. Das waren immer dreieinhalb Monate verkauftes Leben im Sommer. Also an sieben Sommern habe ich nicht teilgenommen.
Was sind Deine schönsten Momente als Comedian?
Es gibt so magische Nächte, wo alles passt. Das sind die Abende, wo du ins Hotel fährst und denkst: Ja, genau deshalb mache ich das.
Dann hoffen wir auf einen magischen Abend bei Deinem Auftritt in Mainz!
Wo sonst?!
Vielen Dank für das Gespräch, Atze Schröder!
Das Interview führten Anna Huber und Michael Meister.
Atze Schröder wird beim Festival „Kultur im Ried“ in Mainz-Laubenheim am Samstag, den 22. Juli, um 19:30 Uhr auftreten. Weitere Informationen und Tickets gibt es auf www.kultur-ried.com, per Mail an tickets@kultur-park.com oder telefonisch unter 01511-5858374.