Als der Mainzer Attilio Serra anfing, in der Gastronomie zu arbeiten, war Ludwig Erhard Bundeskanzler, Peter Altmeier Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Franz Stein Mainzer Oberbürgermeister, bevor er kurz danach von Jockel Fuchs abgelöst wurde. Das war im Frühjahr 1965.
Am 23. März feiert Serra (75) nun sein 60-jähriges Dienstjubiläum. Alles fing in Sardinien an, wo Serra geboren wurde. Er absolvierte noch in seiner Heimat die Hotelfachschule. Nach dem Abschluss kam er jeweils für drei Monate nach Österreich, Frankreich, Schweiz, Dänemark und schließlich nach Deutschland.
Berühmter Fernsehkoch im Lokal
Seit 1970 lebt Serra nun fest in Deutschland, zunächst in Wiesbaden, etwa zwei Jahre später machte er sich in Gustavsburg selbstständig. Zehn Jahre lang leitete er ein Hotel in Gustavsburg, ehe er dann Mitte der 1980er-Jahre in Mainz sein „Bistrorante Midi“ in der Mitternachtsgasse eröffnete. „Es sieht hier heute noch fast genauso aus wie damals“, erzählt Serra gegenüber Merkurist.
Dabei legte ihm einer von Deutschlands berühmtesten Köchen nahe, die Wände endlich heller streichen zu lassen: Steffen Henssler. Der Promi-Koch kam 2014 eine Woche lang als „Restauranttester“ für RTL in Serras Bistrorante. „Das erste, was Henssler damals sagte, war: ‘Es muss heller werden, das sieht aus wie in den 60ern'.“ Sogar einen Malermeister habe der TV-Koch schon dabei gehabt. Serra: „Als ich mich weigerte, sagte Henssler: ‘Wenn du nicht willst, können wir gleich wieder gehen.’ Ich antwortete: ‘Weißt du was: Nimm meine Frau mit, aber lass meine Farben in Ruhe.’ Henssler hat sich kaputtgelacht und den Malermeister wieder weggeschickt.“
„Pizza Steffen Henssler“
Stattdessen schenkte das RTL-Team dem Mainzer Gastronomen eine neue Spülmaschine und einen Pizzaofen. Als Dankeschön steht seitdem die „Pizza Steffen Henssler“ fest auf der Karte im „Midi“. Serra sagt: „Henssler kommt im Fernsehen arrogant rüber, aber er ist ein sehr sympathischer Mann.“ Auch der Werbeeffekt von Hensslers Besuch sei groß gewesen. „Es kamen sogar Leute zu mir, die ein Autogramm wollten“, sagt Serra und lacht.
Dass Serra das „Midi“ mehr als 40 Jahre lang betreiben würde, war Mitte der 80er keinesfalls absehbar. Schließlich wurde schon ein Jahr nach der Eröffnung die Mitternachtsgasse komplett gesperrt und saniert. „Das war finanziell sehr schwierig“, so Serra. Indem er private Schulden auf sich nahm, habe er die Situation damals überstanden.
9-Gänge-Menü zum Dienstjubiläum
Auch heute sei die Lage für Gastronomen sehr schwierig. Nach der Corona-Pandemie, in der Restaurants monatelang komplett schließen mussten, kam der Inflationsschock. „In den Nachrichten hört man immer von 3,4 Prozent Inflation. Aber die Produkte, die wir brauchen, hatten eher eine Steigerung von 30 bis 40 Prozent.“ Auch Personal- und Energiekosten seien enorm gestiegen, die Bürokratie nehme immer mehr überhand.
Dennoch macht Serra immer weiter. Das Restaurant führt er seit einigen Jahren zusammen mit seiner Lebensgefährtin Laima. Serra sagt: „Ich habe hier fünf Ministerpräsidenten erlebt. Die meisten waren auch zu Gast.“ Generell kämen häufig Politiker und Besuchergruppen aus dem Landtag oder der Staatskanzlei in sein Lokal. Am 23. März feiert der gebürtige Italiener nun sein 60-jähriges Dienstjubiläum. An dem Abend serviert Serra seinen etwa 30 Gästen ein 9-Gänge-Menü.
Und in zehn Jahren? Serra sagt augenzwinkernd: „Bei meiner Rede am 23. März werde ich schon mal darauf hinweisen, dass man ab jetzt Plätze für das 70-jährige Dienstjubiläum reservieren kann.“