Bibelturm, Rue Napoleon, Thingplatz: Wir stellen euch drei Mainzer Großprojekte aus unterschiedlichen Epochen vor, die zwar geplant, aber nie realisiert wurden.
Bibelturm
Der „Bibelturm“ sollte ein Vorzeigeobjekt für die Stadt werden, doch stattdessen wurde er zum wohl umstrittensten Mainzer Großprojekt – das am Ende nicht realisiert wurde. Der ursprüngliche Plan: Das Gutenberg-Museum am Liebfrauenplatz sollte erweitert und um einen 23 Meter hohen Turm ergänzt werden, in dem die zwei historischen Bibeln ausgestellt werden. Drei Siegerentwürfe waren in die enge Auswahl gekommen, am Ende entschied sich die Jury für den Entwurf des DFZ Architektenbüros. Der damalige Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) und Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) waren begeistert, auch der Stadtrat sprach sich einstimmig für den Bau aus. Rund fünf Millionen Euro waren für das Projekt eingeplant.
Doch nachdem die Pläne vorgestellt worden waren, entbrannte eine hitzige Debatte. Eine Bürgerinitiative sammelte 13.000 Unterschriften gegen den „Bibelturm“. Der Turm, so hieß es, verschandele das Stadtbild und koste die ohnehin verschuldete Stadt viel Geld. Daraufhin rief die Stadt zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen Bürgerentscheid aus.
Das Ergebnis war eindeutig: Mit fast 50.000 „Nein“-Stimmen (77,3 Prozent) entschieden sich die Mainzer gegen den Bau des neuen Museums, nur knapp 14.500 stimmten dafür. 40 Prozent der Mainzer hatten sich an der Abstimmung beteiligt, eine überraschend hohe Wahlbeteiligung.
Rue Napoleon
Am 1. Oktober 1804 kam ein Dekret von Kaiser Napoleon: Mitten durch die Mainzer Altstadt wollte er eine lange Prachtstraße errichten. Es war die Zeit der vierten französischen Besatzung in Mainz. Nach Napoleons Vorstellung sollte die Prachtstraße am Dom vorbeiführen sowie an einem „Kräutermarkt“, also einem „Marché aux herbes“, am Standort des heutigen Höfchens. Auch der heutige Schillerplatz war bereits vorgesehen, unter dem Namen „Place verte“ – Grüner Platz.
Mit dem Bau der großen Straße durch die Altstadt wollte der neue französische Kaiser nach den verheerenden Bränden und der Zerstörungen der Altstadt während der Mainzer Republik die verwinkelte Innenstadt ganz neu strukturieren. Zwei Jahre nach Napoleons Dekret lagen die Baupläne vor, 1810 starteten die Bauarbeiten. Vier Jahre lang hatten die Franzosen Zeit, ihre Pläne umzusetzen, dann verloren sie die Befreiungskriege und mussten Mainz wieder verlassen.
Der Bau wurde zwar weitergeführt, doch von einer „Prachtstraße“ war nun keine Rede mehr. Fertig gestellt wurde sie im ersten Schritt als „Neue Straße“ im Jahr 1817. Komplett ausgebaut wurde sie erst Jahre später, 1864 war sie fertig. Dann bekam sie auch ihren heutigen Namen, benannt nach dem hessischen Großherzog Ludwig I. Heute ist die „Lu“ eine der großen Mainzer Hauptachsen, die in Richtung Rhein führen.
Thingplatz
400 sogenannte Thingplätze in ganz Deutschland wollten die Nationalsozialisten in den 1930er-Jahren errichten. Geplant waren dort gigantische Freilichttheater, außerdem sollten nationale Feste gefeiert und Propaganda-Veranstaltungen abgehalten werden. Vor allem in der Frühphase des Dritten Reichs wurden Thingplätze staatlich gefördert. Ziel war es, die „Volksgemeinschaft“ zu stärken. Auch für Mainz gab es offenbar Pläne, einen solchen Platz im Volkspark zu schaffen.
Nach dem Bauplan des damaligen Mainzer Gartenbaudirektors sollte der Thingplatz rund 200.000 Menschen fassen können. Allein 100.000 Menschen sollte ein Aufmarschplatz in Richtung Weisenau aufnehmen können, der über Treppen und Terrassen auf ein 16.000 Quadratmeter großes Rasen-Oval führte. Im Oval selbst wollte man noch einmal 48.000 Menschen unterbringen und auf der Freilichtbühne sollten bis zu 1000 Schauspieler gleichzeitig auftreten können. Ein 40.000 Menschen fassender und um acht Meter abfallender Zuschauerplatz war zum Rhein hin geplant. Für Pferde und Wagen der Darsteller war ein Weg geplant, der von der Weisenauer Straße direkt zur Rückseite der Bühne führte.
Am 1. Mai 1935 fand zum „Tag der nationalen Arbeit“ eine erste große Feier auf dem Gelände des heutigen Volksparks statt. Miteingebunden war der Einmarsch der Parteiorganisationen SA, SS und Hitlerjugend. 35.000 Menschen kamen in den Volkspark, der sich zu dieser Zeit im Umbau befand. Ende Juni 1935 fand zur Sonnenwende dann eine zweite große Feier auf dem Gelände statt. Letztlich gibt es keine Dokumente, die belegen, dass der Mainzer Volkspark vom Propaganda-Ministerium jemals als offizielle Thingstätte geführt wurde. Die Nationalsozialisten verwarfen zudem noch in den 1930er-Jahren generell die Idee der Thing-Bewegung. Deshalb stoppten sie auch die finanziellen Fördermittel für Thingplätze im gesamten Reichsgebiet.