„Weißt du, ob es vom Schwarzwald eine gute Verbindung nach Mainz gibt?“, das war eine der letzten Nachrichten, die Scarlett S. an ihre Freundin Vanessa in Mainz schickte. Dort kam die 26-jährige Scarlett, die im September 2020 spurlos verschwand, jedoch nie an.
Scarlett S. ist eine lebensbejahende junge Frau, die Lust am Reisen und dem Entdecken fremder Kulturen hat. Von einer Asien-Reise musste sie im März 2020 aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie unverhofft zurückkehren. Zuhause in Deutschland begann sie sich schließlich für eine Wanderung durch den Schluchtensteig im Schwarzwald zu interessieren – eine Wanderung, die über 120 Kilometer führt. Gerne hätte sie dafür auch ihre Freundin aus Mainz mitgenommen. Da diese jedoch verhindert war, vereinbarten beide, sich im Anschluss an Scarletts Wanderung in Mainz zu treffen.
Nachricht an Mainzer Freundin
Rund eine Woche hatte Scarlett für ihre Tour eingeplant, ehe sie direkt im Anschluss nach Mainz aufbrechen wollte. Schließlich begann Scralett ihre Wanderung an dem Parkplatz in Stühlingen, der sich am Einstieg zum Schluchtensteig befindet. Am nächsten Tag trat sie dann die erste von sechs Etappen an. Um Geld zu sparen, wählte Scarlett immer billige Unterkünfte oder sie campte. Dabei lernte sie auch neue Leute kennen, mit denen sie sich über die sozialen Netzwerke verknüpfte. So schrieb sie nach der dritten Etappe eine Nachricht nach Hause: „Hab noch drei andere Wanderer kennengelernt. Haben einen coolen Platz zum Zelten gefunden.“ Am 9.9.2020 traf Scarlett dann bei ihrem Aufenthalt in Todtmoss wieder zufällig auf die drei Männer, mit denen sie zuvor schon auf einer Etappe gezeltet hatte. Diese Männer waren dann auch die letzten, mit denen sich Scarlett längere Zeit unterhielt. Danach bezog Scarlett ihr Quartier in der Kirchberghütte. Gegen 21 Uhr schrieb sie dann noch eine Handy-Nachricht an ihre Freundin Vanessa in Mainz und ihre Mutter: „Laufe morgen die letzte Etappe. Wetter ist top. Überlege schon, noch eine Wanderung zu machen.“
Das letzte Lebenszeichen von Scarlett gibt es dann am Morgen danach, dem 10. September 2020. Gegen 9:10 Uhr brach sie von der Kirchberghütte auf und ging in den Edeka-Supermarkt. Dort kaufte sie Wasser und wurde dabei von einer Überwachungskamera kurz nach 10 Uhr erfasst. Nachdem sie den Supermarkt verlassen hatte, ging sie zum Steinlabyrinth vor Ort, setzte sich hin und rief ihren Freund in China per Video-Chat an. Zu diesem Zeitpunkt wählte sich Scarletts Handy zum letzten Mal ins öffentliche WLAN-Netzwerk ein.
„Wann kommst du?“
Wie ihr Freund später angab, wirkte Scarlett zu diesem Zeitpunkt zwar glücklich, aber nicht so wie sonst. Sie wollte auf die letzte Etappe gehen, aber, wie ihr Freund glaubte, sei es ihr in diesem Moment schlecht gegangen. Ob die Eindrücke ihres Freundes korrekt waren, bleibt jedoch ungewiss, da die Interverbindung nach Asien in diesem Moment schlecht war und das Telefonat häufig gestört war. Was dann in den folgenden Stunden geschah, bleibt bis heute rätselhaft. Ist Scarlett den Schluchtensteig weitergegangen? Wenn ja, dann verliert sich zwischen Todtmoos und Wehr ihre Spur.
Ihre Freundin Vanessa in Mainz schrieb noch am Abend gegen 17 Uhr eine Nachricht an Scarlett: „Wann kommst du?“. Doch sie bekommt keine Antwort. Als dann auch die Eltern einen Tag später Scarlett nicht erreichen konnten, gingen sie schließlich zur Polizei, um eine Vermisstenanzeige zu erstatten. Kurz darauf wurden umfangreiche Suchmaßnahmen eingeleitet, blieben jedoch ohne Erfolg. Unter anderen Drohnen und 60 Hunde kamen dabei zum Einsatz. Dabei konzentrierte sich die Suche auf die letzte Etappe, die von Todtmoos nach Wehr führt. Ein Jahr später machten sich Scarletts Eltern noch einmal in den Schwarzwald auf, um mit Suchhunden die Spur von ihr aufzunehmen. Diese Spur endete schließlich an dem Parkplatz, an dem eine Zeugin angab, Scarlett das letzte Mal gesehen zu haben. Trotz weiterer Suchmaßnahmen blieb Scarlett verschwunden.
Auch die Suche in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ brachte keinen Durchbruch in den Ermittlungen. Ihre Familie lobte zwar 12.000 Euro aus für Hinweise, die zur Aufklärung beitragen. Doch bis zum heutigen Zeitpunkt ist das Schicksal der jungen Frau, die eigentlich nach ihrer Wanderung ihre Freundin in Mainz besuchen wollte, ungeklärt.