Zu diesem Verbrechen gibt es keinen vergleichbaren Fall in der deutschen Kriminalgeschichte – so die Einschätzung der Polizei im Entführungsfall Achim H. Der Familienvater wurde 1993 direkt vor seiner Haustür entführt. Bei einer spektakulären Lösegeldübergabe auf der Schiersteiner Brücke kam er zwar mit dem Leben davon, hatte aber noch Jahre später mit den psychischen und finanziellen Folgen der Tat zu kämpfen. Seine Entführer entpuppten sich schließlich als eiskalte Mörder. Im Podcast „Aktenzeichen XY – Unvergessene Verbrechen“ wurde der Fall nun noch einmal aufgerollt.
In Holzkiste eingesperrt
Das Opfer Achim H. arbeitete im Großhandelsunternehmen seiner Eltern. Am Entführungstag, dem 1. September 1993, wurde H. um 5 Uhr morgens vor seinem Haus in Dietzenbach bei Frankfurt von zwei Männern festgehalten, geschlagen und schließlich in eine Holzkiste gesperrt. In der Folge kommunizierten die Täter mit H. nicht, ließen ihn jedoch zweimal am Tag für kurze Zeit aus der Kiste – ohne dass H. dabei die Gesichter der Täter zu sehen bekam. Am Tag nach der Entführung meldeten sich die Täter per VHS-Kassette dann das erste Mal bei der Familie, um Anweisungen zu geben. Darin forderten sie zwei Millionen D-Mark Lösegeld. Um zu signalisieren, dass die Familie das Lösegeld bereitstellt, sollten die Angehörigen in der Frankfurter Rundschau eine Annonce mit vorgegebenen Code-Wörtern veröffentlichen.
Da die Familie die geforderten zwei Millionen Mark nicht alleine stemmen konnte, wandte sich die Polizei an die Hessische Landeszentralbank. Diese stellte schließlich das Geld bereit – allerdings nur als Kredit. Deshalb mussten Hs. Verwandte mit ihren Häusern dafür bürgen, falls die Lösegeldübergabe scheitern sollte. Letztlich setzten die Entführer die Übergabe auf den Abend des 7. September fest. Nach einigem Hin und Her wurde klar, dass die Übergabe an der Schiersteiner Brücke stattfindet.
Dort sollte der Überbringer des Gelds an eine Stelle kommen, an der am Geländer ein rotes Tuch befestigt war. Der Bote sollte hier die Tasche mit dem Geld nach unten werfen. In der Zwischenzeit wartete bereits einer der Täter mit Achim H. unter der Brücke. Schließlich näherte sich kurz vor Mitternacht ein Polizeibeamter mit dem Lösegeld und wollte die Tasche mit einem Seil nach unten lassen. Doch plötzlich sprach ihn der Täter unvermittelt an und leuchtete dem Beamten mit einer Taschenlampe ins Gesicht, so dass dieser erschrak und die Tasche fallen ließ.
Darauf schnappte sich der Täter das Geld und verschwand. Achim H. kam unversehrt frei. Wie sich herausstellte, hatte der Entführer vor Ort eine Tauchausrüstung, mit deren Hilfe er unerkannt samt dem Lösegeld durch den Rhein verschwinden konnte. In der Folge unterliefen der Polizei dann einige Ermittlungspannen. So wurde beispielsweise einem Zeugenhinweis nicht in letzter Konsequenz nachgegangen, der die Täter vielleicht schon hätte überführen können. Lösen sollte die Polizei den Fall schließlich erst drei Jahre später.
Täter-Duo waren Vater und Sohn
So entführten die Täter, die Achim H. entführt hatten, 1996 auch den reichen Frankfurter Geschäftsmann Jakub Fiszman. Für ihn forderten sie ebenfalls Lösegeld. Allerdings ermordeten sie Fiszman. Bei der Lösegeldübergabe wurde jedoch beobachtet, dass ein Auto einen Parkplatz in der Nähe zunächst mit einem polnischen Kennzeichen ansteuerte und ihn später mit Offenbacher Kennzeichen verließ. Bei der Überprüfung wurde deutlich, dass der Halter, ein Wiesbadener, ein langes Vorstrafenregister aufwies.
So hatte der Mann bereits einen Zuhälter erschossen und war wegen Tötung seiner Ehefrau im Gefängnis gesessen. Es stellte sich heraus, dass genau dieser Mann zusammen mit seinem Sohn Fiszman ermordet und Achim H. entführt hatte. Während der Hauptangeklagte schließlich zu einer lebenslangen Haftstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt wurde, musste auch dessen Sohn eine jahrelange Haftstrafe antreten. Wie die „Bild“ berichtet, erhängte er sich nach seiner Entlassung im Jahr 2006 im Alter von 41 Jahren.
Entführungsopfer Achim H. hingegen hatte auch noch Jahre nach seiner Befreiung mit den psychischen und finanziellen Folgen der Tat zu kämpfen. So konnte etwa nur eine Millionen Mark des Lösegelds sichergestellt werden. Die andere Million musste H., wie es im Aktenzeichen XY-Podcast heißt, noch jahrelang abbezahlen, ist aber heute schuldenfrei.
Wer noch mehr Einzelheiten und Hintergründe zum Fall Achim H. erfahren möchte, der kann sich den „Aktenzeichen XY – Unvergessene Verbrechen“-Podcast Folge 23: „In den Händen der Entführer“ anhören.