Grande Rue Napoléon: Wie die Franzosen Mainz planten

Die Ludwigsstraße sollte einst eine französische Prachtstraße werden – und die Altstadt somit komplett erneuert. Letztlich dauerte ihr Bau 60 Jahre und wurde doch anders als gedacht.

Grande Rue Napoléon: Wie die Franzosen Mainz planten

Am 1. Oktober 1804 kam ein Dekret von Kaiser Napoleon: Mitten durch die Mainzer Altstadt wollte er eine lange Prachtstraße errichten. Nach seiner Vorstellung sollte diese am Dom vorbeiführen sowie an einem „Kräutermarkt“, also einem „Marché aux herbes“, am Standort des heutigen Höfchens. Auch der heutige Schillerplatz war bereits vorgesehen, unter dem Namen „Place verte“.

Es war die Zeit der vierten französischen Besatzung in Mainz. Am 17. Oktober 1797 war das linksrheinische Gebiet den Franzosen zugesprochen worden. Sieben Jahre später wurde Napoleon zum „Kaiser der Franzosen“ gekrönt und seine Truppen marschierten in Mainz ein. Die Stadt wurde Hauptstadt und Verwaltungssitz des Departments Donnersberg.

Vor allem als militärische Festung hatte „Mayence“ für Napoleon einen hohen Stellenwert, er zählte es zu den 36 bedeutendsten Städten Frankreichs. Mit dem Bau der großen Straße durch die Altstadt wollte der neue französische Kaiser nach den verheerende Bränden und der Zerstörungen der Altstadt während der Mainzer Republik die verwinkelte Innenstadt ganz neu strukturieren. Der Gutenbergplatz sollte das Zentrum werden. „Napoleon wollte damals Mainz umbauen, das war revolutionär zu dieser Zeit und 60 Jahre vor den Planungen in Paris“, berichtet Helge Hussmann, Mainzer Architekt, Denkmalpfleger und Stadtführer.

Militärische und repräsentative Paraden auf der „Lu“

Mainz sollte nach Napoleons Vorstellungen jedoch nicht nur militärisch vorangebracht werden, sondern auch repräsentativ sein. So sollten auf der heutigen „Ludwigsstraße“ etwa Paraden stattfinden. Zwei Jahre nach Napoleons Dekret bereits lagen die Baupläne vor, 1810 starteten die Bauarbeiten. Vier Jahre lang hatten die Franzosen Zeit ihre Pläne umzusetzen, dann verloren sie die Befreiungskriege und mussten Mainz wieder verlassen.

Der Bau wurde zwar weitergeführt, doch von einer „Prachtstraße“ war nun keine Rede mehr. Fertig gestellt wurde sie im ersten Schritt als „Neue Straße“ im Jahr 1817. Komplett ausgebaut wurde sie erst Jahre später, 1864 war sie fertiggestellt. Dann bekam sie auch ihren heutigen Namen, benannt nach dem hessische Großherzog Ludwig I. Heute ist die „Lu“ eine der großen Mainzer Hauptachsen, die in Richtung Rhein führen. Auf Napoleons Pläne gehen auch das Gutenberg-Denkmal und das Theater zurück – wenn auch in etwas anderer Form wie heute.

Eine Glocke im Mainzer Dom, die dem französischen Kaiser gewidmet wurde, läutet heute noch. Auf ihr ließ er sich 1809 mit einer Inschrift verewigen.

Der Gästeführerverband Mainz bietet Führungen für Gruppen, Einheimische und Touristen an. Mehr Infos findet ihr auf der Webseite.

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