Der Mainzer Stadtrat und die Stadtspitze hatten einen Traum: Das nicht mehr zeitgemäße Gebäude des Gutenberg-Museums am Liebfrauenplatz sollte erweitert werden, unter anderem ergänzt von einem riesigen Turm, in dem die zwei historischen Bibeln ausgestellt werden sollten. Rund 23 Meter hoch sollte der werden, wenn es nach den Plänen der Architekten gegangen wäre.
Der Bau sollte das neue „Wahrzeichen“ von Mainz werden, das sanierungsbedürftige Gutenberg-Museum attraktiver machen. Rund fünf Millionen Euro waren für das Projekt eingeplant. Beschlossen worden war es bereits über ein Jahr vorher, im Februar 2017.
Einstimmig sprach sich der Stadtrat für den Bau aus
Drei Siegerentwürfe kamen in die enge Auswahl, am Ende entschied sich die Jury für den Entwurf des DFZ Architektenbüros. Am 5. Juli 2016 stellte ihn der damalige Oberbürgermeister Michael Ebling vor, gemeinsam mit der Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse und der Direktorin des Gutenberg-Museums, Dr. Annette Ludwig. Maßgebend sei es gewesen, so schrieben die Architekten damals, „ein Gebäude mit eigener Identität zu schaffen, das die Geschichte des Ortes und den Inhalt der Sammlung auf eine einzigartige, zeitgemäße Weise miteinander verbindet und erfahrbar macht.“ Ebling und Grosse waren begeistert, auch der Stadtrat sprach sich einstimmig für den Bau aus.
Doch der Traum der Politiker zerplatzte am 15. April 2018.
77 Prozent der Mainzer gegen den „Bibelturm“
Denn kurz nachdem die Pläne vorgestellt worden waren, entbrannte eine hitzige Debatte. Eine Bürgerinitiative, deren Sprecher der jetzige Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase war, sammelte 13.000 Unterschriften gegen den „Bibelturm“. Der Turm, so hieß es darin, verschandele das Stadtbild und koste die ohnehin verschuldete Stadt viel Geld. Daraufhin rief die Stadt zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen Bürgerentscheid aus.
Das Ergebnis war eindeutig: Mit fast 50.000 „Nein“-Stimmen (77,3 Prozent) entschieden sich die Mainzer gegen den Bau des neuen Museums, nur knapp 14.500 stimmten dafür. 40 Prozent der Mainzer hatten sich an der Abstimmung beteiligt, eine überraschend hohe Wahlbeteiligung. „Die Mehrheit hat am 15. April entschieden, dass das Gutenberg-Museum nicht durch den Bau des ‘Bibelturms’ am Liebfrauenplatz erweitert werden soll“, resümierte die Stadt Mainz damals.
„Diese Entscheidung respektieren wir selbstverständlich“, so Ebling nach der Abstimmung. „Egal, ob man für oder gegen diese Erweiterung abgestimmt hat, wir alle sind Mainzer und das städtische Leben geht auch morgen weiter. Mit dem heutigen Tag herrscht Klarheit nach einer stellenweise sehr emotional geführten Diskussion und ich hoffe, die mehrheitlich getroffene Entscheidung trägt zur Befriedung innerhalb der Stadtgesellschaft bei.“
Neue Pläne liegen vor
Und heute? Die Pläne, das Gutenberg-Museum zu erweitern, stehen weiterhin. Nachdem der „Bibelturm“ gescheitert war, hatte der Mainzer Stadtrat im Mai 2018 die Verwaltung beauftragt, eine Arbeitswerkstatt „Modernisierung Gutenberg-Museum“ einzurichten. Im Oktober 2022 dann wählte eine Jury die Siegerentwürfe eines Architektenwettbewerbs aus, wie das Mainzer Gutenberg-Museum in Zukunft aussehen soll. 133 Büros hatten sich beworben, gewonnen hat das Büro h4a Gessert + Randecker Architekten GmbH.
„Ich bin sicher, dass wir nun einen entscheidenden Schritt weitergekommen sind auf dem Weg zu unserem neuen Weltmuseum der Druckkunst“, teilte Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse anschließend mit.