Schon seit 1883 können Mainzer den Schienen-ÖPNV nutzen. Wo früher einzelne, von Pferden gezogene Schienenwagen fuhren, sind mittlerweile elektrische Straßenbahnen für über hundert Personen unterwegs. Doch im Laufe der Zeit hat der Schienenverkehr in Mainz nicht nur Fortschritte erlebt. Zwischenzeitlich wurde sogar überlegt, die „Elektrisch“ ganz abzuschaffen.
Pferdebahn (1883 bis 1904)
Am 27. September 1883 nahm die Mainzer Pferdebahn, Vorläufer unserer heutigen Straßenbahn, den regulären Betrieb auf. Offiziell eröffnet wurde die erste Pferdebahnlinie am 26. September 1883. Sie führte vom Feldbergplatz über Kaiserstraße, Münsterplatz, Schillerplatz, Höfchen und Leichhof bis zum Neutor.
Über die Jahre entstanden noch weitere Linien, zum Beispiel nach Weisenau, in die Neustadt und zum neuen Hauptbahnhof in der Innenstadt. Um 1900 waren für die Mainzer Pferdebahn hundert Pferde und 34 Wagen im Einsatz. 1904 fuhr dann die letzte Pferdebahn durch die Stadt. Denn nach und nach wurde der Betrieb auf Dampf- und elektrische Straßenbahnen umgestellt.
Dampfstraßenbahn (1891 bis 1923)
Um die Mainzer Vororte an die Innenstadt anzuschließen, wurde 1891 die erste Dampfstraßenbahnlinie eröffnet. Diese führte vom Fischtor von der Rheinstraße über die Große Bleiche, den Münsterplatz, die Binger Straße und Zahlbach zur Lindenmühle. Dort verzweigte sich die Linie in zwei Strecken nach Bretzenheim und Hechtsheim. 1892 wurden über die Binger Straße auch Gonsenheim und Finthen an das Liniennetz der Dampfstraßenbahn angeschlossen.
Noch bis 1923 fuhren die Dampfstraßenbahnen in die Mainzer Vororte. Dann jedoch löste die „Elektrisch“ das Vorgängermodell vollständig ab: Am 4. Februar 1923 wurden als letztes auch die Straßenbahnen nach Bretzenheim auf den elektrischen Betrieb umgestellt.
Die „Elektrisch“
Bereits am 30. März 1904 fuhr die erste elektrisch betriebene Straßenbahn durch Mainz – und zwar über die Rheinbrücke und die ehemaligen Mainzer Stadtteile Kastel und Amöneburg bis nach Biebrich. Wenige Monate später waren die „Elektrisch“ auch in der Mainzer Innenstadt unterwegs und lösten dort schrittweise die Pferdebahnen ab.
Mit den Jahren wurden immer mehr Strecken mit elektrischen Straßenbahnen erschlossen: nicht nur die alten Pferde- und Dampfstraßenbahnlinien, sondern auch neue Strecken nach Gonsenheim, Mombach und Finthen, nach Kostheim sowie über den Schillerplatz und das Gautor nach Hechtsheim. Im Jahr 1927 erreichte das Mainzer Straßenbahnnetz mit knapp 40 Kilometern Länge seinen Höhepunkt.
Zweiter Weltkrieg
Die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs hatten auch Auswirkungen auf die Mainzer Straßenbahn. Wegen vermehrter Bombenangriffe wurde der Straßenbahnverkehr ab 1944 schrittweise eingestellt. Am 27. Februar 1945 fuhr die vorerst letzte „Elektrisch“ durch Mainz.
Nach Kriegsende wurde der Straßenbahnbetrieb dann langsam wieder aufgenommen. Als erstes wurde die Linie zwischen Bismarckplatz und Finthen wiederbelebt: am 29. Juni 1945.
Das Ende der Mainzer Straßenbahn?
Ab 1958 begann das Mainzer Straßenbahnnetz zu schrumpfen. Die Strecken nach Kastel und Kostheim wurden aufgegeben, denn diese gehörten seit Kriegsende offiziell zu Wiesbaden. Da deshalb das gesamte Liniennetz neu geordnet werden musste, stand Mainz vor einer Entscheidung: Sollte die Straßenbahn überhaupt noch weitergeführt werden – oder der gesamte Mainzer ÖPNV lieber direkt auf Busse umgestellt?
Am Ende wählte man einen Zwischenweg: Die meisten Linien wurden schrittweise aufgegeben und durch Busse ersetzt. Was blieb, waren die Straßenbahnlinien nach Finthen, Bretzenheim und Hechtsheim – die wir heute noch als Linien 50, 51 und 52 kennen.
Die „Mainzelbahn“ und neue Bauprojekte
Nachdem das Mainzer Straßenbahnnetz auf einen Bruchteil seiner ursprünglichen Größe zusammengeschrumpft war, gab es in der Politik einige Versuche, die Strecken wieder zu erweitern. Doch erst 2014 wurden schließlich die ersten Schienen für das Projekt „Mainzelbahn“ gelegt. Darüber sollten nicht nur die Stadtteile Lerchenberg und Marienborn an das Schienennetz angeschlossen werden, sondern auch der Campus der Johannes Gutenberg-Universität. Seit Dezember 2016 können die Mainzer mit den neuen Linien bis nach Lerchenberg fahren. Seit 2017 wird auch das Straßenbahnamt in der Neustadt wieder als öffentliche Haltestelle genutzt. Die Linie 59 führt darüber bis zum neu errichteten Quartier am Zollhafen.
Mit einem Beschluss des Mainzer Stadtrats wird seit 2020 zusätzlich an weiteren Strecken geplant: Im Fokus stehen eine Verbindung zwischen Alicenplatz und Münsterplatz, eine Anbindung des neuen Heiligkreuzviertels sowie ein Innenstadtring vom Bismarckplatz über die Neustadt und die Altstadt bis zum Schillerplatz.