Briefe einer Pflege-Revolutionärin: Agnes Karlls Nachlass an Universität Koblenz übergeben

Briefe einer Pflege-Revolutionärin: Agnes Karlls Nachlass an Universität Koblenz übergeben

Der lange verschollen geglaubte Nachlass von Agnes Karll (1868–1927), einer zentralen Figur der deutschen Pflegegeschichte, wurde an ihrem 98. Todestag am 12. Februar 2025 von ihrer Urgroßnichte Gesine Brockhoff der Universität Koblenz für Forschungszwecke übergeben.

Umfang und Bedeutung des Nachlasses

Das Konvolut umfasst rund fünf Kilogramm Briefe aus den Jahren 1887 bis 1927, die nicht nur pflegehistorische Einblicke gewähren, sondern auch Aspekte der Alltags- und Sozialgeschichte beleuchten. Die Dokumente könnten zudem wertvolle Erkenntnisse für die Geschlechtergeschichte liefern.

Zunächst sollen die Schriftstücke von Elke Vogel, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Pflegewissenschaft der Universität Koblenz, chronologisch und thematisch geordnet werden. Der Nachlass bildet die Grundlage für ihre geplante Dissertation zum Thema „Die Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen Deutschlands im Ersten Weltkrieg“. Darüber hinaus sollen die Dokumente in der interdisziplinären Lehre genutzt werden.

Neubewertung der Biografie von Agnes Karll

Die bislang maßgebliche Biografie von Agnes Karll wurde 1977 von Anna Sticker verfasst. Da diese Arbeit heutigen wissenschaftlichen Standards nicht mehr vollumfänglich entspricht, arbeiten Elke Vogel und ihre langjährige Kollegin Dr. phil. Ingeborg Scholz an einer Neubewertung. Durch den Kontakt mit der Familie Brockhoff erhielten die Forscherinnen Zugang zu bislang unveröffentlichten Quellen, die neue Facetten von Karlls Wirken erschließen.

Einige Briefe, die als Liebesbriefe klassifiziert werden, sollen mit Zustimmung der Nachlassgeberin dem Liebesbriefarchiv der Universität Koblenz zur Verfügung gestellt werden. Nach Abschluss der wissenschaftlichen Auswertung ist geplant, den restlichen Nachlass dem Bundesarchiv mit Hauptsitz in Koblenz zu übergeben.

Zur Person Agnes Karll

Agnes Karll gründete 1903 in Berlin die Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen Deutschlands (BO) mit etwa 30 Mitstreiterinnen. Bereits 1904 wurde die BO Gründungsmitglied des International Council of Nurses (ICN) zusammen mit Organisationen aus den USA und Großbritannien. Von 1909 bis 1912 leitete Karll den ICN und organisierte 1912 einen Kongress mit Teilnehmerinnen aus 23 Ländern in Köln.

Während des Ersten Weltkriegs organisierte die BO unter ihrer Leitung von September 1914 bis Juli 1916 den Aufbau und Betrieb von Quarantäneeinrichtungen in Österreich-Ungarn. Insgesamt waren dort rund 1.000 ausgebildete Krankenpflegerinnen aus Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden, Norwegen und Dänemark im Einsatz. Die schwierige Nachkriegszeit bewältigte Karll mit Unterstützung von US-amerikanischen Pflegerinnen und Spenden.

Trotz schwerer Krankheit setzte sie sich bis zu ihrem Tod 1927 für eine dreijährige Ausbildung in der Krankenpflege ein und gilt als Pionierin der akademischen Ausbildung für Pflegekräfte. Ihr Wirken trug entscheidend zur Professionalisierung des Berufsstands bei.