Wer an das Deutsche Eck in Koblenz denkt, hat sofort das gewaltige Reiterstandbild von Kaiser Wilhelm I. vor Augen. Viele gehen daher davon aus, dass der Name der Landzunge an der Moselmündung mit dem Deutschen Kaiserreich zusammenhängt. Doch das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Die Bezeichnung ist Hunderte von Jahren älter und hat ihren Ursprung nicht beim Kaiser, sondern bei einem Ritterorden.
Ein Geschenk an die „Deutschen Ritter“
Die Geschichte des Namens beginnt bereits im frühen 13. Jahrhundert. Wie historische Quellen belegen, rief der Trierer Erzbischof Theoderich von Wied im Jahr 1216 die Ritter des Deutschen Ordens nach Koblenz. Er schenkte dem Orden, der offiziell „Orden vom Haus Sankt Marien der Deutschen zu Jerusalem“ hieß, ein Gelände in der Nähe der Basilika St. Kastor.
Auf diesem Areal errichteten die Ritter eine sogenannte Deutschordenskommende (Anm. d. Red.: Im kanonischen Recht war die Kommende eine Form der treuhänderischen Weitergabe kirchlicher Pfründen an eine dritte Person, den Kommendisten.), die als Verwaltungssitz für die Ordensprovinz diente. Wegen der neuen Hausherren, der „Deutschen Ritter“, bürgerte sich für dieses Gebiet an der Moselmündung im Volksmund schnell der Name „Deutscher Ordt“ ein – was so viel wie „Deutscher Ort“ bedeutet. Aus dieser Bezeichnung entwickelte sich im Laufe der Zeit der heute weltbekannte Name „Deutsches Eck“.
Vom Ritterhaus zur künstlichen Landzunge
Spannend ist dabei, dass der Ort, den wir heute als Deutsches Eck kennen, nicht exakt dem historischen Gelände des Ordens entspricht. Die ursprüngliche Kommende befand sich etwas weiter rheinaufwärts, im Bereich der St.-Kastor-Kirche. Die markante Landzunge, auf der heute das Denkmal thront, wurde erst im späten 19. Jahrhundert künstlich aufgeschüttet. Damals wurde ein Nothafen an der Moselmündung zugeschüttet, um Platz für das monumentale Denkmal zu Ehren von Kaiser Wilhelm I. zu schaffen, das 1897 eingeweiht wurde.
Mit der Errichtung des Nationaldenkmals wurde der bereits etablierte Name „Deutsches Eck“ einfach auf die neue, künstlich geschaffene Landzunge übertragen. So wurde aus der „Ecke der Deutschen Ritter“ ein nationales Symbol für die deutsche Einheit, das mit dem Kaiser und dem Reich verbunden wurde – und die ursprüngliche Bedeutung des Namens geriet zunehmend in Vergessenheit.