Verpackungssteuer in Koblenz: Warum das Tübinger Modell nicht überzeugt

Eine große Koalition im Koblenzer Stadtrat will eine Verpackungssteuer nach Tübinger Vorbild einführen. Autor Dirk Hoeren erklärt, warum die Abgabe nur wenig bringt - aber viel kostet.

Verpackungssteuer in Koblenz: Warum das Tübinger Modell nicht überzeugt

Selten war so viel Einigkeit im Koblenzer Stadtrat. Freie Wähler, Linke-Partei, CDU, Grüne - alle wollen eine neue Steuer. Eine Abgabe auf Einwegverpackungen. Gastronomen, Kioske, Pizzerien, Eis-Cafés sollen zahlen. Tübingen hat es vorgemacht: Dort werden seit Anfang 2022 auf jede Einweg-Getränke- oder Lebensmittelverpackung 50 Cent erhoben, auf jedes Einwegbesteck, jeden Strohhalm 20 Cent. Die Koblenzer Verwaltung prüft den Vorschlag nun - und selbst Oberbürgermeister David Langner ist nicht abgeneigt.

Wenn Koblenz die gleichen Steuersätze einführt, würde es für Besucher ganz schön happig. Eine vierköpfige Touristenfamilie, die an einem Imbiss in den Rheinanlagen das Koblenzer „Gedeck“ (Getränk, Pommes, Currywurst) bestellt, wäre schon 5,60 Euro nur für die Verpackungen, Besteck und Strohhalme los. So kann man Touristen auch vergraulen. Immerhin preist sich Koblenz im Internet mit dem Slogan „Eine Stadt mit traumhaften Aussichten“ an. Die Aussicht auf einen deftigen Aufschlag für einen Imbiss „To Go“ war damit aber bisher nicht gemeint...

Komplizierte Regeln für die Abgabe

Dazu kommt: Eine Verpackungssteuer à la Tübingen ist - vornehm ausgedrückt - ziemlich kompliziert. Beispiele gefällig: Wenn die italienische Gelateria um die Ecke ein Eis in der Waffel verkauft, fällt keine Steuer an. Wird das Eis im Becher mit Löffelchen verkauft, ist sie fällig. Für kalte Speisen wie z.B. ein Salat in der Plastikbowl wird die Steuer nur erhoben, wenn sie mit Besteck verkauft werden. Denn dann wird unterstellt, dass sie unterwegs gegessen wird. Oder der Pizzakarton: Wer eine Pizza zum Mitnehmen kauft, muss zahlen. Wer in der Pizzeria gegessen hat und den Rest mit nach Hause nehmen will, muss für den Karton nicht zahlen. Für die Steuer müssen sämtliche Verkaufsstellen ihre Kassen umstellen, um jede steuerpflichtige Verpackung zu registrieren. Am Jahresende müssen sie der Stadt die Menge der Verpackungen melden und bekommen dann einen Steuerbescheid.

Puh, wenn das mal kein neues Bürokratiemonster wird...

Neue Steuer löst Müllproblem nicht

Klar, Koblenz hat ein Müllproblem. Regelmäßig beschweren sich Bewohner der Altstadt über Abfall und Wildpinkler vor ihren Haustüren. Vor allem nach dem Wochenende türmt sich der Dreck.

Aber glauben die Stadtoberen wirklich, dass sie diese Unsitte mit einer neuen Steuer abstellen können? Wer seine gute Kinderstube vergessen oder erst gar nicht genossen hat, dem ist auch die neue Steuer schnuppe. Vor allem, wenn - wie leider oft am Wochenende - Alkohol im Spiel ist. Und im Übrigen: Wer dem Verpackungsmüll mit einer Steuer zu Leibe rückt, muss dann auch eine Wildpinkler-Abgabe einführen.

Statt jedem Problem eine Steuer hinterherzuwerfen, könnte die Stadt für mehr und größere Abfallbehälter sorgen. Denn die derzeitigen sind leider oft überfüllt. Strengere Kontrollen an den einschlägigen Plätzen der Stadt könnten auch helfen. Und hohe Strafen für Müll-Sünder. Warum nicht große Schilder in Städten und an den Straßen wie in den USA: Wer Müll wegwirft, zahlt dort 1000 Dollar Strafe!

Tübingen liefert keine überzeugenden Zahlen

Die spannende Frage ist aber, fällt nach Einführung der Steuer wirklich weniger Müll an? Wer bei der Stadt Tübingen anklingelt, bekommt eine enttäuschende Antwort: Es liege „deutlich weniger Müll um die Mülleimer herum“, heißt es dort. „Der Einwegmüll im öffentlichen Raum ist, auch aus Erfahrung der Kolleginnen und Kollegen von der Stadtreinigung, wahrnehmbar zurückgegangen.“ Aber genaue Zahlen kann die Stadt nicht liefern, „da die leichten Verpackungen ein kaum messbares Gewicht in den Containern haben, sodass man den Müll händisch sortieren müsste, um Zahlen zu ermitteln“. Das sei nicht machbar.

Halten wir also fest: „Gefühlt“ ist der Einweg-Müll in Tübingen weniger geworden. Allerdings würden mittlerweile vier Mal mehr Mehrwegverpackungen angeboten als vor Einführung der Steuer. Na immerhin. Aber rechtfertigt das den riesigen bürokratischen und personellen Aufwand?

Was aber auf jeden Fall zugenommen hat, sind die Einnahmen der Stadt: Im Jahr 2023 hat Tübingen 124 Steuerbescheide an die Unternehmen verschickt, die Einweg-Verpackungen abgegeben haben. Höhe: 700.000 Euro. Ein hübsches Sümmchen. Nur leider fließt es nicht in neue Stellen bei der Stadtreinigung, sondern einfach in den Stadtsäckel. So wird natürlich ein Schuh draus: Erfinde eine neue Steuer für ein altes Problem und die Stadtkasse freut sich. Wieder bewahrheitet sich die alte Weisheit: Steuer fängt mit S an und endet mit teuer!

Bilanz: So richtig überzeugend ist das Modell für Koblenz nicht. Zumal selbst der Oberbürgermeister darauf hinweist, dass die Steuer nur dann Sinn macht, wenn die umliegenden Städte und Gemeinden mitmachen. Also: Packt die Verpackungssteuer in die Tonne!