Koblenzer Kapriolen beim Naturschutz

Koblenz treibt den Naturschutz auf die Spitze. An der Seilbahn muss die Stadt neue Maßnahmen zum Schutz von Fledermäusen und einer Uhu-Familie ergreifen - dabei waren schon die bisherigen überflüssig.

Koblenzer Kapriolen beim Naturschutz

Die Liste der Koblenzer Verwaltungs-Kuriositäten ist um einen Eintrag reicher. Es geht um die Seilbahn zur Festung Ehrenbreitstein, um Abendsegler und Uhus. Und es geht um die Frage, ob man es mit dem Naturschutz auch übertreiben kann.

Aber der Reihe nach. Die Stadt muss den Bebauungsplan für den Betrieb der Seilbahn über den Rhein ändern. Denn das ursprüngliche Baurecht für die BUGA 2011 war nur bis Ende Juni 2026 terminiert. Da die Seilbahn länger als zunächst geplant läuft, muss das Schlussdatum vorerst um weitere fünf Jahre bis Ende 2031 verlängert werden.

Naturschützer melden Bedenken an

Eigentlich eine Lappalie, ein Selbstläufer. Abstimmen, fertig! Wenn da nicht die städtischen Naturschützer wären. Die machen sich nämlich große Sorgen um die „Avifauna", also um alles Tierische, was durch die Luft fliegt. Schon beim Bau der Seilbahn hatten sie Bedenken wegen des Artenschutzes angemeldet. Damals waren für den Bau der Talstation fünf Platanen in den Rheinanlagen und weitere Bäume im Hang zur Festung gefällt worden. Die Experten befürchteten, dass Fledermäuse in den Rheinanlagen und ein brütender Uhu am Hang sich durch den Gondelbetrieb gestört fühlen könnten. Außerdem könne es zu Kollisionen von Vögeln mit den über dem Rhein gespannten Seilen kommen. Deshalb wurden farbliche Markierungen an den Seilen angebracht und in den Jahren 2008 und 2009 insgesamt 31 Kästen als Bleiben für Fledermäuse aufgehängt.

Tiere vom Seilbahn-Rummel unbeeindruckt

Nur: Die Tiere scheinen vom Seilbahn-Rummel völlig unbeeindruckt zu sein. Der Uhu brütete munter weiter und flog nie gegen ein Seil. Und die Fledermäuse machten einen weiten Bogen um die aufgehängten Kästen. In einem 22 Seiten langen „Umweltbericht" zur Baurechts-Verlängerung kommen die Experten zu dem Schluss: „Dennoch konnten in keinen Kästen Hinweise auf eine Nutzung durch Fledermäuse festgestellt werden."

Als Ursache vermuten sie, dass ein Kasten an der Kastorkirche zu niedrig angebracht worden war. Ein Kasten am städtischen Hochhaus am Bahnhof sei „suboptimal und exponiert an der Wetterseite" befestigt worden. Kurzum: Die Wohnraumbeschaffung-Maßnahme für den Abendsegler war ein voller Fehlschlag. Vielleicht war der ganze Aufwand auch völlig unnötig. Schließlich gibt es in den Rheinanlagen auch nach dem Bau der Seilbahn massig Bäume, in denen es sich der Abendsegler gemütlich machen kann. Wahrscheinlich brauchen die Fleder-Viecher das ganze Naturschutz-Palaver also gar nicht.

Verwaltung legt noch eine Schippe drauf

Aber die Verwaltung lässt sich nicht so leicht von den Gewohnheiten der Tiere bremsen. Obwohl die Fledermäuse seit 17 (in Worten: siebzehn) Jahren auf die aufgehängten Kästen pfeifen, legen die Koblenzer Naturschützer noch eine Schippe drauf. „Da die bereits umgesetzten Ausgleichsmaßnahmen zum Artenschutz ihre Funktion nicht erfüllen, werden außerdem weitere Maßnahmen erforderlich", heißt es jetzt. Deshalb werden nun „zusätzliche Flachkästen zur Erhöhung des Quartiersangebots" (das steht da wirklich so) am Rheinufer und im Schlossgarten angebracht. Außerdem wird eine „Großraum- und Überwinterungshöhle" am Konrad-Adenauer-Ufer eingerichtet. Fehlt eigentlich nur noch fließend Wasser und eine Zentralheizung für die Flattermänner - und -frauen (wir wollen uns nicht vorwerfen lassen, die Genderfrage im Naturschutz zu vernachlässigen).

Aufwändige Kontrollen vorgeschrieben

Damit nicht genug. In Zukunft muss die Stadt zudem alle Kästen „jährlich auf ihre Unversehrtheit" überprüfen. Die Überwinterungskästen müssen zudem einmal jährlich zwischen Ende April und Anfang Mai gereinigt werden. „Die Reinigung und die Besatzkontrollen sind zu dokumentieren", heißt es in dem Papier der Verwaltung. Außerdem muss die Stadt alle zwei Jahre ein „Monitoring" der Altbäume durchführen. „Dabei soll schriftlich und visuell dokumentiert werden, welche Bäume bereits Höhlen und Spalten und somit eine gute Quartiersneigung aufweisen." Alle geeigneten Bäume müssen zudem mit einer Plakette gekennzeichnet werden, um sie dauerhaft zu sichern.

Halten wir also fest: Die Stadt macht sich einen Haufen Arbeit und schreibt dicke Papiere für ein paar Fledermäuse. Dabei weiß niemand sicher, ob sich die Tiere überhaupt je in den gefällten Platanen eingerichtet hatten oder ob sie nicht schon längst eine natürliche neue Bleibe gefunden haben.

Naturschutz ist eine tolle Sache. Aber man sollte ihn vielleicht nicht allein den Bürokraten überlassen. Manchmal hilft auch einfach gesunder Menschenverstand.