Nach Limburg-Debatte: So kümmert sich Koblenz um seine Stadttauben

Nach dem bundesweit diskutierten Fall in Limburg steht fest: Stadttauben sind ein emotionales Streitthema. In Koblenz geht man seit Jahren einen anderen Weg – mit betreuten Schlägen und viel ehrenamtlichem Einsatz.

Nach Limburg-Debatte: So kümmert sich Koblenz um seine Stadttauben

Für die einen sind sie „Ratten der Lüfte“, für andere missverstandene Haustiere. Kaum ein Stadttier sorgt für so viele Emotionen wie die Taube. Wie heftig die Debatte geführt wird, zeigte zuletzt der Fall Limburg: Dort wollte die Stadt 200 Tauben töten lassen. Der Plan sorgte bundesweit für Schlagzeilen und wurde schließlich gestoppt. In Koblenz und Neuwied geht man seit Jahren einen anderen Weg: betreute Taubenschläge statt Tötungsaktionen.

Nadine Markert, Vorsitzende der Stadttaubenhilfe Koblenz/Neuwied e.V., erklärt, warum Tauben keine „Schädlinge“, sondern verwahrloste Haustiere sind und wie der Verein versucht, für Mensch und Tier eine Lösung zu finden.

Vom Einzelfall zur Vereinsgründung

Begonnen hat alles mit einer verletzten Taube. Haare und Fäden hatten deren Füße so stark eingeschnürt, dass Zehen abzusterben drohten. Aus dieser Begegnung entstand nicht nur Mitgefühl, sondern eine Initiative, die 2015 in die Gründung der Stadttaubenhilfe mündete.

Heute engagieren sich dort rein ehrenamtlich Menschen aus Handwerk, Gastronomie, Wissenschaft oder dem Staatsdienst. Ihr Ziel: Das sogenannte Stadttaubenproblem nicht zu verdrängen, sondern praktisch anzugehen. „Wir sind kein Mutti-Klub, der gerne Tauben füttert. Wir schauen hin und packen an“, betont Markert.

Betreute Schläge statt Fütterungsverbot

Herzstück der Arbeit sind betreute Schläge nach dem sogenannten Augsburger Modell. Dort können die Tiere frei ein- und ausgehen. Ihre Eier werden regelmäßig gegen Attrappen ausgetauscht, sodass keine Küken mehr schlüpfen. Gleichzeitig gibt es Wasser, Futter und Reinigung.

„Ein Fütterungsverbot führt nicht zu weniger Nachwuchs. Es führt nur zu verhungernden Tieren“, erklärt Markert. Da Stadttauben standorttreu seien, könnten sie nicht einfach umgesiedelt werden. Schläge böten die Chance, Populationen langfristig zu regulieren und gleichzeitig Anwohner zu entlasten.

Ehrenamt am Limit

Einen geregelten Arbeitstag gibt es im Verein nicht. Zwischen 8 und 20 Uhr sind Helfer telefonisch erreichbar, übernehmen verletzte Tiere oder organisieren Transporte. Nach Feierabend warten Volierenpflege, Fahrten zum Tierarzt, die Betreuung von fünf Schlägen und viele Verwaltungsaufgaben.

Neben der Zeit ist auch die Bürokratie eine Belastung. „Oft weiß man gar nicht, wer in der Verwaltung zuständig ist. Das frisst viel Kraft, die wir eigentlich für die Tiere bräuchten“, sagt Markert. Hinzu kommt: Die Arbeit verteilt sich auf wenige Schultern. „Es fehlt nicht am guten Willen, sondern an Menschen, die bereit sind, sich verbindlich einzubringen.“

Finanziell lebt der Verein von Spenden und Patenschaften. Die Stadt Koblenz übernimmt zwar die Futterkosten, doch muss der Verein dafür in Vorkasse gehen. 2024 waren das rund 8.000 Euro. Hinzu kommen Tierarztkosten und der Unterhalt der Schläge. Ohne Unterstützung von Bürgerinnen und Bürgern ginge es nicht.

Vorurteile und Realität

Tauben galten lange als Krankheitsüberträger. Für Markert sind solche Behauptungen überholt: „Wer Angst vor Tauben hat, sollte mal überlegen, wie viele Bakterien man sich an einem Haltegriff im Bus einfängt.“ Problematisch sei Taubenkot nur dort, wo Tiere über Jahre ungestört nisten können, etwa auf Dachböden. Im normalen Stadtbild sei die Gefährdung nicht größer als bei anderen Vögeln.

Ein weiterer Irrtum betrifft den Eiertausch. Kritiker sprechen von Tierquälerei. Markert widerspricht: „Manche verklären den Brutzwang. Wir möchten keine wachsenden Bestände. Wir möchten eine kleinere, aber gesündere Taubenpopulation.“

Wichtig ist dem Verein die Unterscheidung: Stadttauben sind verwahrloste Haustiere, Wildtauben dagegen Wildvögel. Erstere leben standorttreu in Städten, Wildtauben dagegen in Bäumen und großen Sträuchern. Die richtige Ansprechstelle für Wildtauben ist die Wildvogelpflegestation in Kirchwald. „Tauben sind keine Wildtiere, sondern Haustiere, die wir Menschen in diese Situation gebracht haben“, sagt Markert.

Konkrete Hilfe vor Ort

Der erste betreute Schlag in Koblenz entstand 2016 am Saarkreisel, nachdem dort verschlossene Bauwerke viele Tiere obdachlos gemacht hatten. Heute gibt es weitere Standorte in Neuwied, Lützel und am Hauptbahnhof. Der Verein arbeitet in Kooperation mit unter anderem dem Brückenbauamt, den Tierheimen der Region und bundesweiten Initiativen.

Wer helfen möchte, kann wilde Brutplätze melden, verletzte Tiere sichern oder aktiv beim Taubenwagendienst mitmachen. Auch Spenden und Patenschaften sind willkommen. „Wir erwarten nicht, dass jeder Stadttauben liebt. Aber Akzeptanz wäre schon ein großer Schritt“, sagt Markert. Langfristig wünscht sich die Vorsitzende vor allem mehr Helfer, einen zusätzlichen Schlag in der Innenstadt und weniger Tierquälerei. Immer wieder müsse der Verein Tiere versorgen, die angeschossen oder vergiftet wurden.

Der Verein sucht ständig aktive Helfer, etwa für den Taubenwagendienst oder Transporte. Auch Sach- und Geldspenden sind willkommen: stadttauben-koblenz-neuwied.de