Koblenz: Angeklagte plädieren selbst im Fall der geplanten Lauterbach-Entführung

Experte: Eigene Plädoyers sind sehr ungewöhnlich

Koblenz: Angeklagte plädieren selbst im Fall der geplanten Lauterbach-Entführung

Vor dem Koblenzer Oberlandesgericht haben zwei der fünf Angeklagten im Prozess um die geplante Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eigene Plädoyers gehalten. Ein Experte erklärt, warum das ungewöhnlich ist.

Im Prozess um Pläne für eine Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und den Umsturz der deutschen Regierung haben zwei der fünf Angeklagten vor dem Oberlandesgericht Koblenz eigene Plädoyers gehalten. Eine 77-Jährige und Sven Birkmann hielten nach ihren Anwälten ihren eigenen Schlussvortrag. Das kommt in Prozessen selten vor.

Sven Birkmann forderte für sich selbst einen Freispruch. In seinem Plädoyer zog er Parallelen zu Claus Schenk Graf von Stauffenberg und dessen Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Die 77-Jährige hatte ein 44 Seiten langes Plädoyer vorbereitet. In ihrem teils schwer zu verfolgenden Vortrag wies sie die Vorwürfe zurück und bezeichnete die Anklage unter anderem als „zerbröselt" und „erlogen".

Experte: Eigene Plädoyers sind ungewöhnlich

Das Recht auf ein eigenes Plädoyer ist zwar in der Strafprozessordnung geregelt. Nach Einschätzung des Trierer Strafrechtsprofessors Mohamad El-Ghazi ist es aber ungewöhnlich und bei einem verteidigten Angeklagten ein Ausnahmefall. „In der Praxis erfolgt das Plädoyer in aller Regel ausschließlich durch den Verteidiger; der Angeklagte, der zumeist nicht vom Fach ist, beschränkt sich auf das letzte Wort", erklärt er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

El-Ghazi würde Mandanten grundsätzlich von einem eigenen Plädoyer abraten. „Meiner Erfahrung nach deutet ein Selbstplädoyer des Angeklagten häufig auf ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen Verteidigung und dem Angeklagten hin." Die Anwälte Birkmanns betonten hingegen, dass Plädoyer ihres Mandanten sei mit ihnen abgesprochen gewesen.

Bundesanwaltschaft fordert mehrjährige Haftstrafen

Die Bundesanwaltschaft hatte für Birkmann, die 77 Jahre alte Frau und zwei weitere Angeklagte mehrjährige Haftstrafen gefordert. Die Gruppe soll einen Stromausfall, die Entführung Lauterbachs und eine konstituierende Versammlung geplant haben.

Nach den Plädoyers stehen nun noch die letzten Worte aller fünf Angeklagten auf dem Plan, bevor ein Urteil gesprochen werden kann. Es kommt auch vor, dass Angeklagte ihr letztes Wort missbrauchten, erklärte El-Ghazi. „Sie nutzen den Gerichtssaal als Bühne, um ihre politischen oder populistischen Botschaften zu verbreiten." Die Gerichte könnten dagegen nur bei offensichtlichem Missbrauch vorgehen.